Vorwürfe gegen Geistlichen bereits seit 1986

Weiterer Missbrauchsfall im Erzbistum Köln bestätigt

Veröffentlicht am 09.12.2020 um 15:59 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Schon 1986 soll es Vorwürfe gegen den Priester gegeben haben. Doch laut Zeitungsberichten gingen die kirchlichen Vorgesetzten erst viele Jahre später gegen ihn vor. Kardinal Joachim Meisner und sein damaliger Generalvikar handelten demnach gegen das Kirchenrecht.

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Im Erzbistum Köln gibt es einen weiteren Missbrauchsfall, der von den kirchlichen Vorgesetzten offenbar nicht konsequent geahndet wurde. Die Erzdiözese bestätigte am Mittwoch auf Anfrage Zeitungsberichte, wonach sich gegen einen heute 73-jährigen Ruhestandsgeistlichen und religionspädagogischen Sachbuchautor Vorwürfe sexualisierter Gewalt richten. Nähere Details wurden nicht mitgeteilt. Der Fall sei Gegenstand der unabhängigen Untersuchung über die Vertuschung von Missbrauchsfällen, die der Kölner Strafrechtler Björn Gercke bis März 2021 vorlegen solle.

Laut "Bild"-Zeitung hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki dem Priester F., der 1986 erstmals auffällig geworden sein soll, vor zwei Jahren die öffentliche Ausübung seines priesterlichen Dienstes verboten. Erst nach neuerlichen Vorwürfen im März 2019 habe der Erzbischof eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet und den Fall der Glaubenskongregation in Rom übergeben.

Nach Darstellung der Zeitung beklagten sich Messdiener bereits 1986 über Berührungen des Kölner Priesters. 1990 sei er mit Jungen onanierend in einem Gebüsch aufgefunden und ein Jahr später wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern unter 14 Jahren angeklagt worden. Das strafrechtliche Verfahren sei gegen Geldzahlungen eingestellt worden.

"Sittenwidriger Knebelvertrag"

Einige Jahre später habe der Priester eine Mutter mit mehreren Söhnen aufgenommen und dann auch diese Minderjährigen missbraucht, was 1997 offenbar wurde. In einem "sittenwidrigen Knebelvertrag" habe er sich das Stillschweigen der Mutter für 30.000 Mark erkauft. Im Jahr 2000 sei F. in den einstweiligen und 2004 in den endgültigen Ruhestand versetzt worden. In seiner Zeit als Ruhestandspriester sei es 2010 wieder zu Beschwerden gekommen.

Der damalige Kölner Kardinal Joachim Meisner und sein Generalvikar, der heutige Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, sollen laut "Kölner Stadt-Anzeiger" den Geistlichen damals entgegen kirchenrechtlichen Vorgaben nicht mit weiteren Sanktionen belegt haben. Meisner habe sogar ein von F. beantragtes Kinderbuchprojekt ausdrücklich gestattet. Der Fall sei auch Bestandteil des Missbrauchsgutachtens von Westpfahl Spilker Wastl. Die Untersuchung der Münchner Kanzlei hat Woelki bislang nicht veröffentlicht und zur Begründung auf methodische Mängel verwiesen. Stattdessen beauftragte er Gercke.

Das Erzbistum bestätigte die "Bild"-Angabe, wonach es seit 2011 rund 750.000 Euro an Missbrauchsopfer zur Anerkennung ihres Leids gezahlt hat. Schätzungen der Zeitung, wonach für Gutachter, Anwälte und Berater dreimal so viel ausgegeben wurde, kommentierte die Erzdiözese nicht. Über Kosten der laufenden Aufarbeitungen würden keine Angaben gemacht. Es sei aber sichergestellt, dass weder die Aufarbeitung noch die Leistungen zur Anerkennung des Leids aus Kirchensteuermitteln bezahlt würden. Die Mittel stammten aus einem Sondervermögen des Erzbischöflichen Stuhls, hatte die Erzdiözese Anfang November mitgeteilt. (KNA)