Scheine sind Voraussetzung für straffreie Abtreibung

KDFB-Vorsitzende will Beratungsscheine in katholischen Einrichtungen

Veröffentlicht am 10.12.2020 um 12:03 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Würzburg ‐ Sollen katholische Einrichtungen wieder den für eine Abtreibung notwendigen Beratungsschein ausstellen dürfen? Ja, fordert die Berliner KDFB-Vorsitzende Barbara John, die zudem deutliche Kritik am Verhalten der Kirche gegenüber schwangeren Frauen äußert.

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Die Berliner Diözesanvorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB), Barbara John, spricht sich dafür aus, katholischen Beratungsstellen wieder zu erlauben, schwangeren Frauen den für eine Abtreibung notwendigen Beratungsschein auszustellen. "Wir befürworten, dass die Frauen bei Caritas und SkF (Sozialdienst katholischer Frauen, die Red.) nach einer Beratung die Bescheinigung erhalten können, damit sie – sollte keine andere Möglichkeit bestehen – straffrei die Schwangerschaft beenden können", sagt John am Donnerstag in einem Interview der Zeitung "Die Tagespost". Jede katholische Beratungsstelle solle in allen Hilfeoptionen für Schwangere in Konfliktsituationen kompetent sein.

Mit ihrer Forderung wendet sich John gegen den im Jahr 2000 auf Anweisung von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) erfolgten Ausstieg der deutschen Bistümer aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung. Seitdem beraten die Diözesen in ihren Einrichtungen zwar weiterhin schwangere Frauen, stellen aber keine Beratungsscheine mehr aus, die Voraussetzung für eine rechtswidrige, aber straffreie Abtreibung sind. Der Konflikt um die Beratungsscheine war Mitte der 1990er Jahre nach einer Gesetzesänderung durch den Bundestag aufgebrochen und hatte die katholische Kirche – und besonders das Verhältnis zwischen dem Vatikan und der Kirche in Deutschland – über Jahre hinweg belastet.

Scharfe Kritik an Konzilsvätern und "fundamentalistischen Abtreibungsgegnern"

Deutlich distanzierte sich John in dem Interview auch von der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), in der Abtreibungen als  "verabscheuenswürdige Verbrechen" bezeichnet werden. "Die lebensfremde Logik, genauer der Befehl der Konzilsväter, ob sie nun irren oder nicht, kann nicht die Antwort sein. Damit lässt sich zwar die eigene Schad- oder Schuldlosigkeit öffentlich vorführen, aber zu Lasten der Frauen, die Unterstützung brauchen statt Verdammnis", so die Berliner KDFB-Vorsitzende. Es sei hochmütig, Frauen, die abtrieben, als "Verbrecherinnen" zu beschuldigen. Keine Schwangere entscheide sich leichtfertig, die Schwangerschaft zu beenden. "Von allen Menschen erwarte ich Mitgefühl und Verständnis für Frauen in solchen Notlagen. Anstatt Beschuldigungen auszusprechen, soll die katholische Kirche mit ihren Beratungsstellen Wege und Hilfsangebote für ein Leben als Mutter aufzeigen. Und wo es keinen anderen Ausweg als eine Abtreibung gibt, muss die Kirche die Betroffenen auffangen."

Die Situation einer schwangeren Frau sei einzigartig, sagte John weiter: "Nur sie kann Leben empfangen und weitergeben und die Frauen wissen um ihre Verantwortung." Dies betreffe aber nicht nur das werdende Leben, sondern auch das Leben der Mutter mit allen Problemen, die nur sie kennen könne. "Und deshalb wird auch jeder moralische Zwang von  außen – 'wir fundamentalistischen Abtreibungsgegner sagen dir, was jetzt allein wichtig ist und was nicht' – an ihr abprallen, wenn sie darin keinen Ausweg aus ihrer Notlage sieht", erklärte die 82-Jährige weiter. Zumal die problematische Situation, die zur Abtreibung geführt habe, ja bleibe und erschwert werden könne durch psychische Belastungen aufgrund des Schwangerschaftsabbruchs. (stz)