Käßmann: Familien sind in Corona-Krise "am Limit"
Die evangelische Theologin Margot Käßmann fordert eine familienfreundlichere Corona-Politik. Die neue Regel, wonach sich ein Haushalt nur mit einer weiteren Person treffen darf, sei "lebensfremder Unsinn", schrieb die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der "Bild am Sonntag". "Nach einer Woche ist klar: Das funktioniert nicht."
Käßmann nannte als Beispiel den Fall einer berufstätigen Mutter, die auf dem Weg zur Arbeit ihre drei Kinder bei den Großeltern vorbeibringt. "Soll Opa jetzt stundenlang in der Kälte spazieren gehen, während Oma versucht dreifaches Homeschooling allein zu stemmen?"
Maßnahmen müssten einleuchten
Corona-Regeln seien notwendig, damit die Zahl der Infizierten und der Toten endlich zurückgehe, betonte Käßmann. "Aber sie müssen einleuchten!" Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten, die sich die Ein-Personen-Regel ausgedacht hätten, hätten offenbar keinerlei Vorstellung vom Alltag. "Kitas und Schulen dicht, niemanden mehr treffen, aber weiterarbeiten – das funktioniert im wirklichen Leben nicht", schrieb Käßmann. "Die Familien sind inzwischen alle am Limit."
Bei Entscheidungen über Corona-Maßnahmen müssten künftig genauso viele Familienexperten mit am Tisch sitzen wie Virologen, forderte die frühere hannoversche Landesbischöfin. "Sonst werden Maßnahmen verabschiedet, die Familien endgültig fix und fertig machen."
Margot Käßmann war bis 2010 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bis 2011 war sie zudem Hannoversche Landesbischöfin. Zwischen 2012 und 2017 war sie "Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017". Seitdem hatte sie Gastprofessuren inne und gab das Magazin Chrismon mit heraus. 2018 ging sie in Frühpension. (cph/epd)