13 Zentimeter dick, mehrere Kilo schwer und seit 127 Jahren in Familienbesitz

Joe Biden verwendet historische Familien-Bibel bei Amtseid

Veröffentlicht am 20.01.2021 um 11:59 Uhr – Lesedauer: 

Washington ‐ Heute wird der neue US-Präsident Joe Biden feierlich in sein Amt eingeführt. Beim Amtseid wird dabei auch eine Bibelausgabe eine große Rolle spielen. Sie ist seit über 100 Jahren im Besitz der Familie Bidens und zeigt seine katholischen Wurzeln.

  • Teilen:

Wenn Joe Biden am Mittwoch seinen Amtseid als nächster Präsident der USA ablegt, wird er seine Hand auf ein besonders auffälliges Exemplar der Heiligen Schrift legen. Die in Leder gebundene Bibel ist fast 13 Zentimeter dick, mehrere Kilo schwer und befindet sich seit 127 Jahren im Besitz der Familie Biden, wie US-Medien berichten. Sie ist zudem mit einem Keltenkreuz versehen, was auf die irischen Wurzeln der Familie hinweist. Die mit Metallschließen geschützte Bibelausgabe aus dem 19. Jahrhundert hatte der katholische Politiker in der Vergangenheit bereits bei ähnlichen Anlässen verwendet, etwa bei seiner Vereidigung zum Vize-Präsident der USA unter Barack Obama.

Schon damals hatte die auffällige Bibel für Aufmerksamkeit gesorgt. Der ebenfalls katholische Entertainer Stephen Colbert fragte Biden daher im Dezember in seiner Late-Night-Show augenzwinkernd: "Warum ist Ihre Bibel so viel dicker als meine? Befindet sich mehr Jesus darin?" Das verneinte der künftige US-Präsident natürlich und begründete den beeindrucken Umfang seiner Ausgabe mit Extra-Seiten, auf denen bedeutende Ereignisse der Familiengeschichte festgehalten würden. So seien dort auch alle Schwüre Bidens bei der Einführung in jedes seiner zahlreichen öffentlichen Ämter mit Datum verzeichnet.

Bibel im 19. Jahrhundert mit Prestige verbunden

Bidens Bibel zählt zu den sogenannten Douay-Rheims-Exemplaren, die aus dem Lateinischen ins Englische übertragen und bis ins 20. Jahrhundert als einzige englischsprachige Übersetzung der Heiligen Schrift von der katholischen Kirche anerkannt war. Die Ausgabe enthält zudem apokryphe Schriften, also frühchristliche Texte, die nicht den Eingang in den Kanon der Bibel gefunden haben. Auch lehramtliche Texte der Kirche, etwa von Päpsten, sind in dem Band enthalten. Angaben von US-Historikern zufolge war der Besitz einer Bibelausgabe wie der Bidens im 19. Jahrhundert mit großem Prestige verbunden. Dadurch drückte man aus, den gesellschaftlichen Aufstieg in die Mittelklasse geschafft zu haben und aufgrund der vorhandenen Chronik in der Ausgabe auf eine hoffnungsvolle Zukunft der eigenen Familie zu blicken.

Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andrew Harnik

Die Heilige Schrift habe er vor allem durch den Unterricht der Ordensschwestern seiner katholischen Schule kennengelernt, schrieb Joe Biden in seiner Autobiographie. Sie seien es auch gewesen, die ihm beibrachten, dass der Dienst an der Allgemeinheit eine heilige Aufgabe sei.

US-Präsidenten sind nicht verpflichtet, ihren Amtseid auf eine Bibel abzulegen. So schwor Präsident John Quincy Adams 1825 auf einen Band mit Gesetzestexten. Vizepräsident Harry S. Truman musste 1945 nach dem Tod von Franklin D. Roosevelt improvisieren. "Es gab ein großes Hin- und Her, um dieses Buch zu finden, auf das man den Amtseid ablegen kann", meinte er. Bei seiner Vereidigung 1949 nahm Truman der Sicherheit halber gleich zwei Exemplare mit, darunter ein Faksimile einer Gutenberg-Bibel. Dass mehrere Bibeln zum Einsatz kommen, ist in der US-Geschichte bereits öfters vorgefallen. Doch auch ein katholisches Messbuch wurde bereits bei einem Amtseid verwendet: Als Lyndon Johnson nach dem tödlichen Attentat auf John F. Kennedy 1963 Präsident wurde, war das Missale das würdigste Buch, das man während des Rückflugs von Dallas nach Washington an Bord des Flugzeugs finden konnte.

Familienbibel Zeichen seiner katholischen Tradition

Die Tradition, eine Bibel bei der Amtseinführung des US-Präsidenten zu verwenden, geht auf George Washington zurück. Das 1789 beim Amtseid des ersten Präsidenten verwendete Exemplar stammte aus der ältesten Freimaurerloge von New York. Die "aufgrund von Eile" zufällig aufgeschlagene Textstelle war eine Passage aus der Genesis, dem ersten Buch der Bibel. Die Bibel Washingtons kam danach noch bei vier weiteren Vereidigungen zum Einsatz, zuletzt 1989 bei George Bush. Auf die Ausgabe von Abraham Lincoln legten Obama und Donald Trump ihren Amtseid ab. Wenn bei der Vereidigung die Heilige Schrift aufgeschlagen wird, passiert dies entweder zufällig oder bei einer Textstelle, die der Kandidat für sich auswählt.

Dass Biden bei seiner Amtseinführung die Bibel seiner Familie und nicht etwa eines berühmten Amtsvorgängers verwendet, wird in den USA als Zeichen seiner katholischen Tradition gedeutet. In seiner 2007 veröffentlichen Autobiografie schrieb der Politiker, dass er die Heilige Schrift vor allem durch den Unterricht der Ordensschwestern seiner katholischen Schule schätzen lernte. Sie seien es auch gewesen, die ihm beibrachten, dass der Dienst an der Allgemeinheit eine heilige Aufgabe sei, so Biden. Seine Vize-Präsidentin Kamala Harris will bei der Vereidigungszeremonie übrigens auf die Bibel von Thurgood Marshall zurückgreifen, der von 1967 bis 1991 der erste schwarze Richter am Obersten Gerichtshof war. Die Baptistin mit Eltern aus Jamaika und Indien ist die erste Frau und dunkelhäutige Politikerin im zweithöchsten Staatsamt. (mit Material von KNA)

Von Roland Müller