Speyerer Oberhirte äußert sich auch zu Missbrauch bei Niederbronner Schwestern

Bischof Wiesemann ruft zum Nachdenken über Pflichtzölibat auf

Veröffentlicht am 27.01.2021 um 14:14 Uhr – Lesedauer: 

Speyer ‐ Soll der Pflichtzölibat für Priester aufrechterhalten bleiben oder es möglich werden, Verheiratete zu weihen? Diese Frage stellt sich laut Bischof Karl-Heinz Wiesemann – wobei die ehelose Lebensform für ihn ein wertvolles Modell bleibt. Auch sprach er über die Missbrauchsaufarbeitung in seiner Diözese.

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Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat zum Nachdenken über den Pflichtzölibat aufgerufen. Es stelle sich die Frage, ob der verpflichtende Zölibat für Priester aufrechterhalten bleiben oder ob es nicht möglich werden solle, auch Verheiratete zu weihen, sagte der Bischof am Mittwoch bei einer Online-Pressekonferenz in Speyer. Die Debatte darüber sei ein wichtiger Punkt beim aktuellen katholischen Reformprozess Synodaler Weg, der kommende Woche fortgesetzt wird. Grundsätzlich verteidigte Wiesemann aber die ehelose Lebensform als wertvolles Modell. Es sei nicht gerechtfertigt, von einem Automatismus zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch zu sprechen.

Weiter betonte Wiesemann, Missbrauch in seiner Diözese weiter aufarbeiten zu wollen. Dafür kündigte er die Einrichtung eines Betroffenenbeirats und einer unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Bistum Speyer an. Nach Veröffentlichung seines Interviews im Dezember zu Missbrauch in einem Kinderheim der Niederbronner Schwestern in den 1960er- und 1970er-Jahren hätten sich bislang weitere 15 Personen gemeldet, die selbst betroffen seien oder zur Aufklärung beitragen wollten. Das Geschehen erschüttere das gesamte Bistum, so Wiesemann. Der Betroffenenbeirat soll "Erfahrungen bündeln, die Aufarbeitung im Bistum kritisch begleiten und Hinweise für eine Verbesserung der Präventionsmaßnahmen geben". Als sehr positiv wertete das Bistum die Resonanz zu einem Aufruf zur Mitarbeit. Mehrere Betroffene wollten ihre Erfahrungen einbringen. Die Aufarbeitungskommission wolle prüfen, wie Verantwortliche auf Missbrauchsvorwürfe und -fälle reagiert hätten. Zur Klärung sucht das Bistum Hilfe von außen, etwa durch ein sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut oder eine Anwaltskanzlei.

Initiative "Sicherer Ort Kirche"

Mitte Januar startete die Diözese zudem die Initiative "Sicherer Ort Kirche", die dem Schutz von Kindern, Jugendlichen und hilfebedürftigen Erwachsenen vor Missbrauch dienen soll. Eine Übersicht zeigt, dass für die Zeit zwischen 1946 und heute 130 Verdachtsfälle in der Pfalz untersucht worden seien. Die Zahl der Betroffenen lag demnach bei 221, die der Beschuldigten bei 112. Von den 82 an die Staatsanwaltschaft gemeldeten Fällen wurden 62 eingestellt; 15 endeten mit einer Verurteilung oder einer Einstellung gegen eine Geldzahlung; zudem gibt es 5 laufende Verfahren.

Zur Corona-Pandemie sagte Wiesemann, bei vielen Menschen gerate das Vertrauen ins Leben und in die Zukunft ins Wanken. Das zeige sich in Protesten, "in denen sich ein Misstrauen artikuliert, das bis zur Wirklichkeitsverweigerung reicht". In gesellschaftliche Debatten herrsche immer häufiger ein Ton der Gereiztheit und die Tendenz zur Diffamierung, kritisierte der Bischof. Notwendig sei aber eine Kultur des Zuhörens, der sachlichen Prüfung und des Ringens um die bestmögliche Lösung. Gefordert sei Bereitschaft, auch Verzicht auf sich zu nehmen und um der Solidarität willen die Würde aller zu schützen.

Weiter intensivieren will das Bistum seine Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche der Pfalz. Das Projekt "Zusammen Wachsen" soll prüfen, wo beide Kirchen noch mehr miteinander kooperieren könnten. Für Wiesemann steht dahinter die Überzeugung, "dass unser Zeugnis wirksamer und glaubwürdiger ist, wenn wir gemeinsam reden und gemeinsam handeln, wo immer es theologisch sinnvoll und strukturell möglich ist". Als Beispiele für mehr Zusammenarbeit gelten etwa Aus-, Fort- und Weiterbildung, Bildungsarbeit und Digitalisierung. Auch die gemeinsame Nutzung von Gebäuden biete Synergieeffekte und Sparpotenziale.

Bis spätestens April will die Diözese Entscheidungen zu ersten strukturellen Einsparungen treffen. Für den Finanzhaushalt 2021 gilt nach Bistumsangaben zunächst eine Kürzung aller Zuweisungen an die Kirchengemeinden und andere Körperschaften um fünf Prozent. Die Sachkosten im Bistum würden um vier Prozent gekürzt. Die pfälzische Diözese geht für 2021 von Erträgen in Höhe von 145 Millionen und Aufwendungen von knapp 161 Millionen Euro aus. Der prognostizierte Jahresfehlbetrag soll zum größten Teil durch Rücklagen ausgeglichen werden. Zur künftigen Entwicklung finden aktuell Beratungen statt. (tmg/KNA)