Zwischen Corona und Köln: Bischof Bätzing ein Jahr DBK-Vorsitzender
Dass es nicht leicht werden würde, war ihm von vornherein klar. "Man möchte eigentlich weglaufen", sagte Bischof Georg Bätzing unmittelbar nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Er übernahm eine Aufgabe, die in der aktuellen kirchlichen Gemengelage nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig ist. Exakt ein Jahr ist seit dem Amtsanritt Bätzings vergangen. Ein Jahr, in dem es genug Gründe gegeben hätte, wegzulaufen – ein Jahr, indem der neue Vorsitzende gleichzeitig gezwungen war, schnell in seine neue Aufgabe hineinzuwachsen.
Auf den ersten Blick überraschte die Wahl Bätzings, schließlich war der Limburger Bischof anders als sein Vorgänger, der Münchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx, bis dato nicht als medienwirksamer Macher in Erscheinung getreten. Zudem fehlte ihm – das gab er von Anfang an offen zu – die römische "Prägung" sowie die Affinität zur Kurie. Andererseits nimmt Bätzing den vielfachen Wunsch nach Veränderung in der Kirche wahr und greift ihn auf. Das macht ihn zu einer Art "Prototyp" der Mehrheit der deutschen Oberhirten. Mindestens zwei Drittel der Bischofskonferenz-Mitglieder – so viele Stimmen muss ein neuer Vorsitzender auf sich vereinen – sahen das wohl genauso. "Ich bin kein zweiter Reinhard Marx, ich bin Georg Bätzing, und in der Weise und mit den Gaben, die mir gegeben sind", betonte der DBK-Vorsitzende.
Erste Bewährungsprobe Corona
Als hätte es nicht schon genug "Baustellen" gegeben, brach wenige Tage nach Bätzings Amtsantritt die Corona-Krise über Deutschland herein. Wie alle anderen gesellschaftlichen Akteure wurde die Kirche mit voller Wucht von den Auswirkungen getroffen: Quasi über Nacht mussten Gottesdienste abgesagt werden. Die Kirche und besonders die Bischöfe sahen sich vielfach mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht lautstark genug gegen die beschlossenen Maßnahmen zu protestieren und die Menschen allein zu lassen. Die Pandemie wurde zur ersten Bewährungsprobe für den neuen DBK-Vorsitzenden. "Wir mussten Entscheidungen treffen und haben auf die Empfehlungen von Wissenschaft und Politik reagiert", so Bätzing im Frühsommer 2020 gegenüber katholisch.de. Gleichzeitig wies er auf die zahlreichen kreativen Initiativen hin, die entstanden seien, um das kirchliche Leben aufrecht zu erhalten.
Ein prominentes "Opfer" der Corona-Krise drohte der Synodale Weg zu werden. Die Pandemie brachte den ursprünglich geplanten Zeitplan ordentlich durcheinander. Statt zweier vorgesehener Vollversammlungen im Herbst 2020 und im Frühjahr 2021 gab es alternative Formate – zuletzt die Online-Konferenz im Februar. Bätzing, als DBK-Vorsitzender gleichzeitig einer der beiden Präsidenten des Synodalen Wegs, wird nicht müde zu betonen, wie essenziell er die Themen, die diskutiert werden, im Hinblick auf die Zukunft der Kirche hält. Kritik am Reformprozess nimmt er ernst und setzt sich mit ihr auseinander, doch falls nötig verteidigt er ihn gegen alle innerkirchlichen Zweifel und Attacken.
Sein "Jobprofil" beschreibt Bätzing selbst so: "Ich bin als Vorsitzender der Bischofskonferenz nicht der Chef der Bischöfe". Seine Aufgabe liege darin, "zu moderieren und zusammenzuführen, damit wir gemeinsame Beschlüsse und Entschlüsse fassen können". "In diesem Sinne will ich ein Brückenbauer sein, werde meine Positionen und Erfahrungen jedoch mit in die Beratungen einbringen." Welche das unter anderem sind, machte er Ende des vergangenen Jahres in einem Interview deutlich: Besonders ist es die Frage nach der Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche. Ihm liege viel daran, so Bätzing, "die Argumente der Kirche, warum das sakramentale Amt nur Männern zukommen kann, redlich zu nennen". Doch genauso nehme er wahr, dass diese Argumente immer weniger überzeugen – und dass es in der Theologie gut herausgearbeitete Argumente für das sakramentale Amt für Frauen gebe.
Ein schmerzhafter vatikanischer Einspruch
Ein weiteres Thema, dass Bätzing umtreibt, ist der Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen. In der Frage, ob eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich ist, sucht er als Bischof von Limburg schon seit geraumer Zeit nach theologisch tragfährigen Lösungen. Mehrfach hat er deutlich gemacht, dass er sich eine kirchliche Segnung für Paare vorstellen kann, die nicht kirchlich heiraten dürfen – auch für homosexuelle Paare: "Wir brauchen hierfür Lösungen, die nicht nur im Privaten greifen, sondern auch eine öffentliche Sichtbarkeit haben – aber deutlich machen, dass keine Ehe gestiftet wird."
Nach Lösungen strebt Bätzing auch bei der Frage der gegenseitigen Einladung von Katholiken und Protestanten zu Abendmahl beziehungsweise Kommunion. Als einer der Präsidenten des Ökumenischen Arbeitskreises katholischer und evangelischer Theologen warb er schon vor seiner Wahl zum DBK-Vorsitzenden für dessen Votum "Gemeinsam am Tisch des Herrn". Dass der Vatikan gegen dieses Papier deutlichen Einspruch erhob, dürfte Bätzing auch ganz persönlich geschmerzt haben. Von der theologischen Validität des Dokuments zeigt sich der Bischof bis heute überzeugt – und unterstrich wiederholt, dass man die Einwände aus Rom sorgfältig prüfen und beantworten werde. Das Fernziel sei nach wie vor die Eucharistiegemeinschaft von Protestanten und Katholiken – auch wenn aktuell aus katholischer Sicht noch keine Eucharistiegemeinschaft möglich ist, wie Bätzing erst vor Kurzem betonte.
Dass der meist um Diplomatie und Ausgleich bemühte Georg Bätzing auch energisch werden kann, wurde nach Bekanntwerden des vatikanischen Einspruchs gegen das ÖAK-Papier deutlich. Dass der Nuntius des Heiligen Stuhls in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, den Brief der römischen Glaubenskongregation, der an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz adressiert war, nicht nur an diesen, sondern zugleich an die anderen deutschen Diözesanbischöfe weiterleitete, erzürnte Bätzing. Vor allem, weil der Brief an die Presse gelangte – kurz vor der Herbstvollversammlung der Bischöfe, bei der Bätzing seine Mitbrüder über das Schreiben aus dem Vatikan unterrichten und mit ihnen in aller Ruhe darüber sprechen wollte. Die Zeit-Beilage "Christ&Welt" berichtete von einer E-Mail Bätzings an Eterovic, in dem er diesen scharf für sein Vorgehen kritisiert.
Die Kölner Situation verärgert ihn
Profil zeigt Bätzing auch in der Causa Köln. Die Situation um das von Kardinal Rainer Maria Woelki wegen "methodischer Mängel" bislang unveröffentlichte erste Gutachten zur Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum verärgert den DBK-Vorsitzenden spürbar: Er sprach von einem "Desaster", das auf uns alle abfärbt". Bätzing wies mehrfach daraufhin, dass die daraus entstandene Debatte die gesamte kirchliche Landschaft in Deutschland beeinflusse – zuletzt auf der digitalen Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz. Er habe aber keinen Zweifel am Aufklärungswillen Kardinal Woelkis, so Bätzing, der gleichzeitig vor einer medialen Vorverurteilung des Kölner Erzbischofs eindringlich warnte.
Bei der Vollversammlung konnte Bätzing jenseits aller Diskussions- und Krisenherde schließlich einen Erfolg verbuchen: Beate Gilles wird als erste Frau das Amt der Generalsekretärin der Bischofskonferenz übernehmen. Er kennt die Theologin bereits seit einigen Jahren, sie ist in seinem Bistum Limburg für das Dezernat Kinder, Jugend und Familie zuständig. Dass die deutschen Bischöfe eine Frau in dieses Amt gewählt haben, sei ein "starkes Zeichen, dass die Bischöfe ihrer Zusage nachkommen, Frauen in Führungspositionen zu fördern", sagte Bätzing bei Gilles' Vorstellung. Auch sie wird schnell in ihr neues Amt hineinwachsen müssen – denn viele Baustellen werden der Kirchen in Deutschland noch lange erhalten bleiben.