Hochgerechnete Zahl von 10.000 Fällen nicht ausgeschlossen

Kommission: Wohl deutlich mehr Missbrauchsopfer in Kirche Frankreichs

Veröffentlicht am 04.03.2021 um 13:44 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Auch die Kirche in Frankreich arbeitet aktuell den sexuellen Missbrauch durch Kleriker auf. Vorläufige Zahlen gingen zunächst von 3.000 Opfern aus – doch inzwischen schließt die Untersuchungskommission selbst 10.000 Fälle nicht aus.

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Die unabhängige staatliche Untersuchungskommission (CIASE) rechnet mit weitaus mehr Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Frankreich seit 1950 als bisher angenommen. Eine in französischen Medien veröffentlichte Hochrechnung von 10.000 Fällen dementierte der Leiter der Kommission, Jean-Marc Sauvé, bei der Vorstellung erster Untersuchungsergebnisse am Dienstag nicht, berichtete die Zeitung "La Coix" (Mittwoch online). "Die große Frage, die sich uns stellt, ist: Welchen Prozentsatz der Opfer hat unser Aufruf zur Zeugenaussage erreicht? Sind es 25 Prozent, zehn Prozent, fünf Prozent oder weniger?", wird Sauvé zitiert.

Die von den französischen Bischöfen beauftragte Kommission hatte im Juni 2019 Menschen, die seit 1950 Opfer von sexuellem Missbrauch im Bereich der Kirche geworden sind, zu Zeugenaussagen aufgerufen. Bis zum vergangenen Sommer konnte die Zahl von 3.000 Betroffenen und 1.500 Tätern ermittelt werden. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass es noch viel mehr Opfer gibt", sagte Kommissionsleiter Sauvé damals. Meldungen bei der CIASE waren bis Oktober möglich. Ein Abschlussbericht wird im Herbst 2021 erwartet.

Kirche leiste "unverzichtbare, schmerzhafte" Arbeit

Ersten Erkenntnissen zufolge hat sich etwa die Hälfte der Fälle in den 1950er und 1960er Jahren ereignet; 18 Prozent stammen aus den 1970er Jahren, 12 Prozent aus den 1980er Jahren und sieben Prozent aus den 1990er Jahren. Drei Prozent seien in den 2000er Jahren und 5,7 Prozent in den 2010er Jahren geschehen. Die meisten Opfer des sexuellen Missbrauchs in der Kirche seien männlich (68 Prozent). Sauvé betonte, die Arbeit an der Missbrauchsbekämpfung "betrifft die Kirche, geht aber weit darüber hinaus". Die katholische Kirche leiste eine "unverzichtbare, schmerzhafte und noch lange nicht abgeschlossene" Arbeit, die "den Weg für weitere Arbeiten in anderen Bereichen öffnet".

In Deutschland hatte die 2018 veröffentlichte MHG-Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland ermittelt, dass in den Jahren 1946 bis 2014 3.677 Kinder und Jugendliche von sexuellem Missbrauch in der Kirche betroffen waren. Den Akten zufolge gibt es 1.670 beschuldigte Kleriker. Auch hier gehen die Forscher von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. (mal)