Papst gedenkt der Kriegsopfer in ehemaliger IS-Hochburg Mossul
Papst Franziskus hat bei seiner Irak-Reise in einer symbolträchtigen Zeremonie am Sonntagmorgen in Mossul der Kriegsopfer gedacht. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) hatte dort im Juni 2014 ein "Kalifat" ausgerufen. Erst drei Jahre später wurde die Stadt befreit und bei den Gefechten schwer beschädigt.
Auf dem Platz Hosh al-Bieaa, Schauplatz der Zerstörung mehrerer christlicher Kirchen, berichteten mehrere Zeitzeugen über Verfolgung und Vertreibung während der IS-Herrschaft. Der Papst zeigte sich bestürzt angesichts der "grauenvollen Erfahrungen". Ein "unermesslicher Schaden" sei angerichtet worden. Moslems, Christen, Jesiden - alle zählten zu den Opfern. "Heute bekräftigen wir nichtsdestotrotz erneut unsere Überzeugung, dass die Geschwisterlichkeit stärker ist als der Brudermord", so Franziskus.
Papst spricht eigens verfasstes Gedenkgebet
Im Anschluss sprach der 84-Jährige ein eigens für diesen Anlass verfasstes Gedenkgebet. Anklagende Worte gegen bestimmte Tätergruppen verwandte er nicht. Stattdessen betonte er mehrfach die Unzulässigkeit von Gewalt und Hass im Namen der Religion: "Wenn Gott der Gott des Lebens ist - und das ist er -, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten." Der Papst erbat "für uns alle, dass wir über die religiösen Bekenntnisse hinweg in Harmonie und Frieden leben können".
Mossuls chaldäisch-katholischer Erzbischof Najib Mikhael Moussa dankte Franziskus für seinen Besuch. Das Land benötige "eine prophetische Stimme, um diesem leidenden Volk zu helfen". Gemeinsam wolle man die "Mauern zwischen den Religionen niederreißen", um den Weg für Frieden und Nächstenliebe zu ebnen. Am Ende der Zeremonie wurde auf dem Kirchplatz ein Gedenkstein enthüllt, um an die Papstvisite zu erinnern. Franziskus ließ eine Friedenstaube aufsteigen, ehe er in den christlich geprägten Ort Karakosch weiterreiste. (KNA)
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Das Gebet des Papstes für Opfer von Krieg und Terror
In Mossul, der einstigen Hochburg der Terrormiliz "Islamischer Staat", betete Papst Franziskus am Sonntag für die Opfer von Krieg und Gewalt. Besonders die Glaubensgemeinschaft der Jesiden, aber auch viele Christen und Muslime wurden in den Jahren seit 2014 von den Terroristen ermordet, versklavt und vertrieben. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Vorrede und Gebet des Papstes weitgehend ungekürzt in der vom Vatikan veröffentlichten Übersetzung:
Vor meinem Gebet für alle Kriegsopfer in dieser Stadt Mossul, im Irak und im gesamten Nahen Osten möchte ich mit euch folgende Gedanken teilen: Wenn Gott der Gott des Lebens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten. Wenn Gott der Gott des Friedens ist – und das ist er –, dann ist es uns nicht erlaubt, in seinem Namen Krieg zu führen. Wenn Gott der Gott der Liebe ist – und das ist er –, dann dürfen wir die Brüder und Schwestern nicht hassen.
Lasst uns nun gemeinsam für alle Opfer des Krieges beten, dass der allmächtige Gott ihnen ewiges Leben und nie endenden Frieden schenke und sie liebevoll in seine Arme nehme. Wir wollen auch für uns alle beten, dass wir über die religiösen Bekenntnisse hinweg in Harmonie und Frieden leben können, in dem Bewusstsein, dass wir in den Augen Gottes alle Brüder und Schwestern sind.
Gebet
Höchster Gott, Herr über die Zeit und über die Geschichte, du hast die Welt aus Liebe erschaffen und du hörst nie auf, deinen Segen über deine Geschöpfe auszugießen. Jenseits des Ozeans von Leid und Tod, jenseits der Versuchungen von Gewalt, Ungerechtigkeit und ungerechtem Gewinn, begleitest du deine Söhne und Töchter mit der zärtlichen Liebe eines Vaters.
Wir Menschen aber sind undankbar gegenüber deinen Gaben. Von unseren Sorgen und allzu irdischen Ambitionen abgelenkt, haben wir deine Pläne des Friedens und der Harmonie nicht immer erkannt. Wir haben uns in uns selbst und in unseren Eigeninteressen verschlossen. Dir und unseren Mitmenschen gegenüber gleichgültig, haben wir die Türen zum Frieden verriegelt. Damit wiederholt sich, was dem Propheten Jona über Ninive gesagt wurde: Die Schlechtigkeit der Menschen ist zum Himmel hinaufgedrungen (vgl. Jona 1,2). Wir haben unsere Hände nicht in Reinheit zum Himmel erhoben (vgl. 1 Tim 2,8), sondern von der Erde ist wieder einmal der Schrei unschuldigen Blutes aufgestiegen (vgl. Gen 4,10). Die Bewohner von Ninive hörten, wie es in der Geschichte von Jona heißt, auf die Stimme deines Propheten und fanden Rettung in der Umkehr. Wenn wir dir, Herr, nun die vielen Opfer des Hasses unter den Menschen anvertrauen, bitten auch wir dich um Vergebung und erflehen die Gnade der Umkehr:
Kyrie eleison! Kyrie eleison! Kyrie eleison!
Herr, unser Gott, in dieser Stadt bezeugen zwei Symbole die immerwährende Sehnsucht der Menschheit, sich dir zu nähern: die Al-Nuri-Moschee mit ihrem Al-Hadba-Minarett und die Kirche Unserer Lieben Frau von der Uhr. Diese Uhr erinnert alle Vorübergehenden seit mehr als hundert Jahren daran, dass das Leben kurz und die Zeit kostbar ist. Lehre uns verstehen, dass du uns deinen Plan der Liebe, des Friedens und der Versöhnung anvertraut hast, damit wir ihn in der Zeit, in der kurzen Spanne unseres irdischen Lebens verwirklichen können. Lass uns verstehen, dass es nur dann möglich sein wird, diese Stadt und dieses Land wiederaufzubauen und die vom Schmerz zerrissenen Herzen zu heilen, wenn wir deinen Plan der Liebe ohne Umschweife in die Tat umsetzen.
Hilf uns, unsere Zeit nicht allein mit unseren egoistischen Interessen zu verbringen, die wir als Einzelne oder als Gruppe verfolgen, sondern im Dienst deines Plans der Liebe. Und wenn wir in die Irre gehen, dann lass uns auf die Stimme der wahren Gottesmänner hören und rechtzeitig in uns gehen, damit wir nicht wieder von Zerstörung und Tod überwältigt werden. Für diejenigen, deren irdisches Leben durch die gewaltsame Hand ihrer Brüder und Schwestern verkürzt wurde, flehen wir um dein Erbarmen (...).