Schriftstellerin Nora Bossong: Darum trete ich nicht aus der Kirche aus
Nora Bossong (39), Schriftstellerin, setzt trotz einer aus ihrer Sicht oft schleppenden Aufarbeitung von Missbrauch auf Veränderung der katholischen Kirche von innen heraus. Deswegen wolle sie einstweilen weiter Mitglied bleiben und sei Menschen wie Jesuitenpater Klaus Mertes dankbar für ihr Engagement, schreibt Bossong in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ&Welt" (Donnerstag). Mertes hatte als damaliger Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin wesentlich dafür gesorgt, dass der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche 2010 öffentlich wurde.
"Ein Austritt wäre in vielerlei Hinsicht derzeit einfacher und bequemer, nicht nur, aber auch, um sich nicht mehr vor Freunden und Bekannten rechtfertigen zu müssen - für das, was in der Kirche geschieht und für den eigenen Verbleib in dieser Institution", räumt Bossing ein und fügt fragend hinzu: "Hätten damit nicht gerade jene gewonnen, die Schweigen fördern und Worte wie 'Gnade' und 'Vergebung' instrumentalisieren, um sich die schmerzhafte Wahrheit auf Abstand zu halten?" Vergeben könnten der Kirche nur die Betroffenen von Missbrauch selbst, betont Bossong. "Keine Institution, kein Dritter kann drängen oder fordern. Das ist etwas, das der katholischen Kirche nicht oft genug gesagt werden kann. Wenn sie es nicht hören will, wird sich zumindest in Deutschland die Zukunft der Kirche in ein Schweigen hüllen, das Nein sagt."
Bossong wurde 1982 in Bremen geboren und studierte in Leipzig und Berlin. 2006 veröffentlichte sie ihren ersten Roman "Gegend". Weitere Romane sind "Webers Protokoll", "36,9 Grad", "Schutzzone" und "Gesellschaft mit beschränkter Haftung". Im September erhielt sie den mit 50.000 Euro dotierten Joseph-Breitbach-Preis der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz und der Stiftung Joseph Breitbach in Vaduz. (tmg/KNA)