Kohlgraf: Darf nicht schweigen, wenn Lehre als "gewaltsam" erlebt wird
Der Pax-Christi-Präsident und Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat nach dem Vatikan-Verbot der Segnung homosexueller Beziehungen die gewaltsame Sprache und Lehre der Kirche kritisiert. "Das römische 'Responsum' vom 22. Februar 2021 hat offenkundig viele Menschen tief verletzt, und dies nicht nur die Betroffenen selbst", sagte Kohlgraf laut einer Stellungnahme der ökumenischen Friedensbewegung Pax Christi am Dienstag. "Wenn Menschen sich durch die Kirche verletzt fühlen, kann ich das nicht einfach als Missverständnis abtun." Auch aus seinem eigenen Bekanntenkreis würden Menschen wegen des Segnungsverbots des Vatikans die Kirche verlassen, schilderte der Bischof.
Viele Menschen würden es als gewaltsam erleben, auf ihre Neigung und ihre Lebensgestaltung reduziert zu werden. "Es ist für sie keine Kleinigkeit, wenn dies alles mit dem Hinweis auf den Willen Gottes geschieht", so Kohlgraf. "Wenn kirchliche Lehre als 'gewaltsam' erfahren wird, darf ich als Bischof nicht schweigen." Gerade, wo man für den Bereich geistlichen Missbrauchs sensibler werde, sollten auch Sprachgewohnheiten überprüft werden. "Darin zeigen sich Haltungen, die uns vom Evangelium wegführen." Als Pax-Christi-Präsident in Deutschland dürfe die aktive Friedensarbeit und die Gewaltlosigkeit für ihn kein Lippenbekenntnis bleiben.
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Die Reaktionen im Internet auf Kritik an der Vatikan-Entscheidung zeigten für ihn die Notwendigkeit, an einer gewaltlosen Sprache innerhalb der Kirche zu arbeiten, so Kohlgraf. "Mit welchen Herablassungen sich dort Menschen zum Richter aufspielen und sich auf Gott berufen, ist sicher kein Ausdruck der Liebe zum Nächsten", so Kohlgraf. Mit Blick auf die Lesung der "Gottesknechtlieder" vom Montag (Jes 42,5a.1-7), in der es von Gott heißt, dass er "das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht", schrieb er: "Auch diese göttliche Praxis sollte uns zu einer anderen Sprache und einer anderen Haltung vielen Menschen gegenüber motivieren.
Die vatikanische Glaubenskongregation hatte in einer auf den 22. Februar datierten und am 15. März veröffentlichten Antwort erklärt, dass die katholische Kirche keine Vollmacht habe, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Zwar sei bei solchen Initiativen "der aufrichtige Wille" zu erkennen, "homosexuelle Personen anzunehmen, sie zu begleiten und ihnen Wege des Glaubenswachstums anzubieten", heißt es in dem Papier. Da aber die Verbindungen von homosexuellen Paaren nicht dem göttlichen SChöpfungswillen entsprächen, könnten sie nicht gesegnet werden.
In Deutschland wie in anderen Ländern gibt es erheblichen Widerstand gegen das Verbot. Mehrere deutsche Bischöfe, katholische Verbände und Theologen kritisierten die Entscheidung, andere begrüßten sie. Am Samstag übergab der Würzburger Hochschulseelsorger Burkhard Hose in Bonn eine Unterschriftenliste mit bislang mehr als 2.600 Priestern, Gemeindereferentinnen, Pastoralassistenten und Diakonen, die homosexuelle Paare weiterhin segnen wollen, wenn diese das wünschen. (cbr)