Schlensog nennt Kasper-Einschätzung zu Küng "schlicht unwahr"
Für "schlicht unwahr" hält der Generalsekretär der Stiftung Weltethos, Stephan Schlensog, die Einschätzung des früheren Kurienkardinals Walter Kasper, der verstorbene Theologe Hans Küng sei mit der Kirche ausgesöhnt gewesen. Noch kurz vor Weihnachten habe Küng einen Brief an Papst Franziskus geschrieben und sich traurig darüber gezeigt, dass die Kirche nicht die Größe habe, ihn angesichts der Verdienste zu rehabilitieren. "Aussöhnung klingt anders", so Schlensog. Zugleich habe Küng Franziskus für Korrespondenz und persönliche Zeichen der Wertschätzung gedankt. "Das Thema hat ihn bis zum Schluss beschäftigt", sagte Schlensog am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Küngs Brief nach Rom blieb demnach unbeantwortet.
In einem Beitrag für die halbamtliche Vatikanzeitung "Osservatore Romano" und im "Corriere della Sera"-Interview hatte Kasper Küng und dessen Leistungen auf dem Feld des interreligiösen Dialogs gewürdigt, unter anderem die von Küng gegründete "Stiftung Weltethos". Mit Blick auf andere Reformideen Küngs wie der Frauenordination und der Abschaffung des Pflichtzölibats für Priester äußerte der Kardinal Zweifel. Kasper, der nach seiner Promotion Küngs Assistent in Tübingen war, bekannte, er habe sich von Küng nach dem Entzug der Lehrerlaubnis durch die Glaubenskongregation entfernt; in den letzten Jahrzehnten sei ihre Beziehung aber von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen.
Im Sommer 2020 hatte Kasper nach eigenen Worten Franziskus telefonisch informiert, dass Küng dem Lebensende nahe sei und in Frieden mit der Kirche sterben wolle. Daraufhin habe Franziskus ihm Grüße und Segenswünsche "in christlicher Gemeinschaft" aufgetragen. "Es war, als fühlte sich Küng in Frieden mit der Kirche und mit Franziskus, eine Art Versöhnung", sagte der Kardinal dem "Corriere della Sera". Zwar seien theologische Differenzen geblieben; "auf pastoraler und menschlicher Ebene war es aber eine Aussöhnung", so Kasper im "Osservatore Romano".
Theologin Rahner: Nicht-Rehabilitierung Küngs ein Fehler
Unterdessen beklagte die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner die ausgebliebene Rehabilitierung für den am Dienstag verstorbenen Theologen. Der Entzug der Lehrerlaubnis und die nicht erfolgte Rücknahme sei ein großer Fehler der katholischen Kirche, sagte die Theologin am Freitag dem Kölner Online-Portal "domradio.de". Küng habe "bis zu seinem Tode daran gelitten", dass er nie rehabilitiert wurde.
Die "Affäre Küng" gewähre Theologen bis heute einen Vorteil; die Strukturen seien ähnlich, "aber die Atmosphäre hat sich verändert". Unterschiedliche Meinungen würden heute diskutiert und nicht mundtot gemacht, so Rahner, die das von Küng gegründete Institut für Ökumenische und Interreligiöse Forschung der Universität Tübingen leitet.
In den vergangenen 30 Jahren hatte sich Küng vor allem für den Dialog der Weltreligionen, insbesondere im "Projekt Weltethos", engagiert. 1979 hatte ihm der Vatikan die Lehrerlaubnis entzogen, unter anderem wegen Kritik an der Lehre der Unfehlbarkeit des Papstes. Der Wissenschaftler, dessen Bücher in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden und die Millionenauflagen erreichten, erhielt viele Auszeichnungen, darunter mehr als ein Dutzend Ehrendoktorwürden. (tmg/KNA)