Papst: Bereit sein, alle Migranten offen aufzunehmen
Papst Franziskus hat erneut mehr Solidarität mit "Ausländern, Migranten und Ausgegrenzten" gefordert. "Wir sind aufgerufen, uns dafür einzusetzen, dass es keine Mauern mehr gibt, die uns trennen", heißt es in seiner Botschaft zum 107. Welttag des Migranten und Flüchtlings. Der Titel des am Donnerstag veröffentlichten Schreibens lautet "Auf dem Weg zu einem immer größeren Wir".
Darin zitiert Franziskus an etlichen Stellen aus seiner Enzyklika "Fratelli tutti", mit der er bereits im Oktober für mehr "Geschwisterlichkeit" warb. Die ganze Menschheitsfamilie müsse einen Weg der Versöhnung einschlagen, damit "es nicht mehr die Anderen gibt, sondern nur noch ein Wir". Dieses Wir werde von einem "verbohrten und aggressiven Nationalismus und einem radikalen Individualismus" bedroht.
"Eine alle umfassende Gemeinschaft in der Vielfalt" bilden
Angesichts dieser Gefahr sollten die verschiedenen Glieder der Weltkirche mithelfen, "eine alle umfassende Gemeinschaft in der Vielfalt" zu bilden. Interkultureller Dialog sowie die Begegnung mit Fremden, Migranten, Flüchtlingen böten die Möglichkeit, "zu wachsen und uns gegenseitig zu bereichern". Alle Katholiken seien daher aufgerufen, die Kirche immer inklusiver zu machen.
Der Papst plädiert vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Migrationsflüsse für eine "Bereitschaft, alle offen aufzunehmen." Dies solle ohne Vorurteile, Angst oder Abwerbung von Gläubigen geschehen. Vielmehr gehe es darum, Gottes Liebe zu bezeugen.
"Die Zukunft unserer Gesellschaften ist eine 'bunte' Zukunft, reich an Vielfalt und interkulturellen Beziehungen", betont der 84-Jährige. Aus diesem Grund müssten die Menschen lernen, in Harmonie und Frieden zusammenzuleben. Das sei nur durch eine Kultur der Begegnung vorstellbar. Durch den Austausch mit Migranten könne man Ängste überwinden und sich "von den vielen unterschiedlichen Gaben bereichern lassen". So werde es möglich, "Grenzen in besondere Orte der Begegnung zu verwandeln".
Der vatikanische Migrationsexperte Kardinal Michael Czerny verwies bei der Präsentation der Papstbotschaft auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Im Gegensatz zu anderen sei dieser nicht in "obsessiver Sorge um sich selbst" versunken. Der Samariter habe stattdessen die "Grenze zwischen dem Wir und den Anderen" überschritten. Seine Hilfe für einen am Straßenrand liegenden Verwundeten sei beispielhaft auch für die heutige Zeit. So müsse die gesamte Menschheit solidarisch zusammenarbeiten, um die Corona-Pandemie zu überwinden. Andernfalls drohe allen das Verderben.
"Kritik an entstelltem Wir"
Die Ordensfrau und Wirtschaftswissenschaftlerin Alessandra Smerilli kritisierte ein "entstelltes Wir" vor allem in ökonomischer Hinsicht. Das Finanzwesen sei "in den meisten Fällen zu reiner Spekulation geworden", sagte die Don-Bosco-Schwester. Smerilli ist Mitglied eines Experten-Teams des Vatikan, das sich mit den Folgen der Corona-Krise befasst. Solange die vorherrschende Frage laute "Was ist das Beste für mich?" – und nicht "Was ist das Beste für uns alle?", sei es unmöglich, "eine kranke Wirtschaft zu heilen". Das führe etwa zu Spekulationsgeschäften mit Nahrungsmitteln und zu entsprechenden Preissteigerungen auch in armen Ländern, gab die Italienerin zu bedenken. Weitere Migrationsbewegungen seien die Folge.
Der 107. Welttag des Migranten und Flüchtlings findet dieses Jahr am 26. September statt. Ziel des katholischen Aktionstages ist es, eine "integrative Kirche" zu bilden, die "aufmerksam ist für die gesamte Menschheitsfamilie" und fähig, "Gemeinschaft in Vielfalt zu schaffen". Getragen wird der Welttag von Organisationen wie Caritas, Missio, Sant'Egidio oder Misereor. Er wird auch in vielen Pfarrgemeinden begangen. (KNA)