Gute Deutschkenntnisse waren Auswahlkriterium

Päpstliche Visitatoren am Rhein: Franziskus will wissen, was los ist

Veröffentlicht am 29.05.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Die Nachricht von der Visitation erregte weltweit Aufsehen: Deutschlands bekanntestes Bistum wird von Kardinal Anders Arborelius und Bischof Hans van den Hende überprüft. Sie sollen Papst Franziskus über die dortige Krise Bericht erstatten.

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Mit der Entscheidung, zwei Visitatoren nach Köln zu schicken, verfolgt Papst Franziskus zwei Anliegen. Zum einen will er sich ein umfassendes Bild der Lage in der bekanntesten deutschen Erzdiözese machen. Zum anderen signalisiert er, dass er die Lage in Deutschland genau beobachtet und diese ihm wichtig ist.

Mit Kardinal Anders Arborelius von Stockholm sowie Bischof Hans van den Hende von Rotterdam schickt er zwei Vertrauensleute in das aufgewühlte Erzbistum am Rhein. Dass beide recht gut Deutsch sprechen, war ein Auswahlkriterium für das ungewöhnliche Duo. Das andere hat mit der kirchlichen Farbenlehre zu tun: Auch Arborelius trägt Kardinalsrot und ist so mit Rainer Maria Woelki hierarchisch auf Augenhöhe.

Maxime der Untersuchung: Lieber gründlich als schnell

Woelki ist weiterhin Erzbischof von Köln mit allen Rechten und Pflichten. Seine besondere Pflicht ist es nun, den Visitatoren alle gewünschten und relevanten Informationen zugänglich zu machen und konstruktiv mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dabei lautet die Maxime einer solchen Untersuchung: lieber gründlich als schnell. Auch von medialem Hype werden sich die päpstlichen Prüfer nicht beeinflussen lassen. Psychologische Faktoren und menschliche Beziehungen oder Zerwürfnisse werden sie jedoch in ihrem Bericht berücksichtigen, es zählen nicht allein rechtliche Kategorien.

Arborelius und van den Hende werden sich die Zeit nehmen, die sie brauchen. Immerhin geht es um gleich vier beschuldigte hohe Geistliche: Woelki selbst, seinen früheren Generalvikar Stefan Heße sowie die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff. Außerdem geht es um zwei Problemfelder: mögliche Verstöße im Umgang mit Verdachtsfällen von Missbrauch sowie eine gestörte und konfliktgeladene seelsorgliche Lage im Bistum.

Zu den Konsequenzen der Untersuchung gibt es eine ganze Palette möglicher Ergebnisse. Diese reicht von keinerlei Maßnahmen bis hin zu Rücktritten aller vier - oder gar weiterer - Verantwortlicher.

Bild: ©picture alliance/Associated Press/Ina Fassbender (Archivbild)

Bleibt mit allen Rechten und Pflichten im Amt: Kardinal Rainer Maria Woelki.

Eine vom Papst angeordnete Visitation kann unterschiedliche Anlässe haben. In Deutschland gab es eine solche zuletzt im Juli 2020. Wegen anhaltender Spannungen unter den Mönchen der Abtei Maria Laach in der Eifel beauftragte die vatikanische Ordenskongregation den Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke sowie den Abt der Ettaler Benediktinerabtei, Barnabas Bögle, mit einer Prüfung.

In bundesweiter Erinnerung ist noch der Besuch von Kurienkardinal Giovanni Lajolo im September 2013 in Limburg - wegen der Kontroversen um den glücklosen Bischof und Bauherrn Franz-Peter Tebartz-van Elst. Formal war dies aber keine Apostolische Visitation, wie Kurienkardinal Marc Ouellet damals eigens betonte. Gleichwohl wurde später der Paderborner Weihbischof Manfred Grothe als Administrator (Übergangsleiter) eingesetzt, Tebartz reichte den Rücktritt ein.

Päpstliches Votum wird wohl nicht nur Köln in den Blick nehmen

Wegen schwerer Vorwürfe von Missbrauch und Vertuschung veranlasste der Vatikan im Sommer 2020 eine Visitation im österreichischen Stift Klosterneuburg. In deren Folge wurde der frühere Zisterzienser-Abt Gregor Henckel-Donnersmarck zum Administrator bestellt. Ebenfalls um Missbrauch und Vertuschung ging es bei einer Apostolischen Visitation im März 2010 im oberbayerischen Kloster Ettal oder bei den "Legionären Christi" ein Jahr zuvor.

Im Januar 2019 hatte Papst Franziskus den Salzburger Erzbischof Franz Lackner in die Diözese Gurk-Klagenfurt geschickt. Dort gab es massive Spannungen wegen Vorwürfen des Domkapitels zur Amtsführung des früheren Bischofs Alois Schwarz. Wegen Unregelmäßigkeiten in der Finanzverwaltung wurde im Mai 2012 das sizilianische Bistum Trapani visitiert. In der Folge entband Benedikt XVI. Bischof Francesco Micciche von seinen Amtspflichten.

Theologischer Richtungsstreit kann ebenfalls Anlass für eine Überprüfung sein. So sorgte etwa eine Apostolische Visitation bei Frauenorden in den USA im Dezember 2008 für Aufsehen. Als Gründe wurden der erhebliche Rückgang der Zahl von Ordensschwestern sowie eine mitunter modernistisch-laxe Handhabung der Ordensregeln genannt.

Wenn Arborelius und van den Hende dem Papst ihren Bericht vorgelegt haben, muss er entscheiden, wie er reagiert und wann. Dabei wird Franziskus vermutlich nicht nur die Lage in Köln in den Blick nehmen; er könnte mit abwägen, was seine Entscheidung für die international derzeit arg beäugte Kirche in ganz Deutschland bedeutet.

Von Roland Juchem (KNA)