Heute vor 25 Jahren abgeschlossen

Katholischer Durchbruch: Der Vertrag zwischen Sachsen und dem Vatikan

Veröffentlicht am 02.07.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Als erstes ostdeutsches Bundesland konnte Sachsen 1996 einen Vertrag mit dem Vatikan abschließen. Nach jahrzehntelanger Zurückdrängung der Kirchen durch den SED-Staat war dies ein Durchbruch mit hoher Symbolkraft.

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Es war keine leichte Geburt: Die staatskirchenrechtlichen Verhandlungen des Freistaats Sachsen mit der katholischen Kirche hatten sich länger hingezogen als erwartet. Bereits zwei Jahre waren entsprechende Vereinbarungen mit der evangelischen Landeskirche und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden unter Dach und Fach, als Sachsen am 2. Juli 1996 einen Staatskirchenvertrag auch mit der katholischen Kirche abschließen konnte.

Das Abkommen ("Accordo") zwischen Freistaat und Heiligem Stuhl, unterzeichnet vom Papstbotschafter, Erzbischof Giovanni Lajolo, und Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), war gleichwohl ein Durchbruch: Ist es doch der erste Kirchenvertrag, den der Vatikan nach der friedlichen Revolution und Wiedervereinigung mit einem der neuen Bundesländer abgeschlossen hat.

Regionale Besonderheiten für den Freistaat

Seit 25 Jahren regelt er die Bereiche von beiderseitigem Belang: den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, die theologische Ausbildung an staatlichen Hochschulen, das kirchliche Schulwesen, die Jugend- und Erwachsenenbildung, die Präsenz der Kirche in Rundfunk und Fernsehen, die Sonderseelsorge in staatlichen Einrichtungen wie Gefängnissen, die Körperschaftsrechte der Kirche, das kirchliche Eigentumsrecht, die kirchlichen Friedhöfe, die Denkmalpflege sowie die Staatsleistungen und die Kirchensteuer.

Eine regionale Besonderheit bildet der ausdrücklich genannte Schutz des katholisch geprägten sorbischen Kulturgutes in der Lausitz, der einzigen Region in Sachsen, in der Katholiken zahlenmäßig dominieren. Im übrigen Freistaat bilden sie eine Minderheit von gut drei Prozent. Auch in einem anderen Punkt weicht der Staatskirchenvertrag von anderen derartigen Abkommen ab: Wenn das Bistum Dresden-Meißen einen neuen Bischof erhält, muss er keinen bischöflichen Treueid mehr auf die staatliche Verfassung leisten. Die aus den Zeiten des Reichskonkordats von 1933 stammende Tradition empfand man 1996 nicht mehr als zeitgemäß. In vielen westdeutschen Bundesländern gilt sie weiterhin.

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Wie das Preußenkonkordat von 1929 wirkt auch das Reichskonkordat dennoch auch in Sachsen bis heute rechtlich nach. So heißt es in der Präambel des Vertrags: "unter Berücksichtigung des in Geltung stehenden" Reichskonkordats, soweit es den Freistaat Sachsen binde, und "in Würdigung" des Preußenkonkordats. Die Form dieser Bezugnahme war in Sachsen wie in anderen Bundesländern umstritten und wohl ein Grund für den verzögerten Vertragsabschluss.

Dies hatte sich bereits bei den 1994 abgeschlossenen Verträgen über die Errichtung der Bistümer Magdeburg, Görlitz und Erfurt sowie des Erzbistums Hamburg gezeigt. Der Heilige Stuhl sowie führende Politiker auf Bundesebene und Bischöfe westdeutscher Diözesen legten Wert darauf, dass an der Geltung des bestehenden Konkordatssystems keine Zweifel aufkommen. Die neuen Verträge sollten somit nicht einfach an die Stelle der alten treten oder diese relativieren. So wurde der katholische Kirchenvertrag für Sachsen nicht mit dem Begriff "Konkordat" überschrieben, sondern mit "Vertrag/Accordo".

Verträge mit Symbolkraft

Um dessen politische Bedeutung zu ermessen, ist die historische Einordnung wichtig, wie Arnd Uhle, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Leipzig, betont: "Erst vor dem Hintergrund zweier Diktaturen und deren jeweiliger Kirchenpolitik wird deutlich, welche Symbolkraft davon ausgeht, dass der Freistaat Sachsen seit seiner Wiederbegründung nicht nur abstrakt das Ziel verfolgt, ein partnerschaftliches Verhältnis mit den christlichen Kirchen und Jüdischen Gemeinden zu pflegen, sondern dass er mit ihnen Verträge abschließt, die auf gleichberechtigter Partnerschaft basieren." Verankert ist dies auch in der Sächsischen Verfassung, deren Artikel 109 vorschreibt, die Beziehungen des Landes zu den Religionsgemeinschaften durch Verträge zu regeln.

In den vergangenen 25 Jahren haben sich die Vereinbarungen in Sachsen als tragfähig erwiesen und den Kirchen ermöglicht, wieder frei in die Gesellschaft hineinzuwirken. So konstatierte Landtagspräsident Matthias Rößler: "Die Staatskirchenverträge sind in ihrer Umsetzung ein wertvoller Bestandteil der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit in Sachsen geworden."

Von Karin Wollschläger (KNA)