Trierer Oberhirte über Unwetter-Schäden in Regionen seines Bistums

Bischof Ackermann über Hochwasser: Bilder gehen mir nicht aus dem Kopf

Veröffentlicht am 22.07.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Trier ‐ Im Bistum Trier sind mehrere Gebiete von den großen Schäden des Unwetters der vergangenen Woche betroffen. Im katholisch.de-Interview berichtet Bischof Stephan Ackermann von seinen Eindrücken aus der Katastrophen-Region – und welche Reaktionen er von seinen Bischofskollegen erhalten hat.

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Das Ahrtal, die Westeifel und Teile der Bischofsstadt selbst: Im Bistum Trier sind mehrere Regionen von den heftigen Unwettern der vergangenen Woche stark betroffen. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann spricht im Interview mit katholisch.de über das Leid und den Lebensmut der Menschen, die fast alles verloren haben. Ackermann hat selbst viele Jahre im Gebiet der Ahr gewohnt und ist deshalb umso betroffener vom großen Ausmaß der Katastrophe.

Frage: Herr Bischof, Sie waren am vergangenen Wochenende vor Ort im Katastrophengebiet an der Ahr. Wie ist die Lage aktuell?

Ackermann: Es ist sehr erschütternd, was ich dort gesehen und bei den Leuten vor Ort gehört habe: Tote sind zu beklagen, Häuser wurden stark beschädigt und Autos einfach von den Wassermassen weggeschwemmt. Weil die Aufräumarbeiten gut voranschreiten, sieht man nun Stück für Stück, wie groß die Schäden wirklich sind. Man merkt, dass das Ausmaß der Verwüstung unfassbar ist. Bestimmte Bereiche sind immer noch schwer zugänglich, sodass sich erst nach und nach zeigt, wie es steht. Die Bilder dieses Grauens gehen mir nicht aus dem Kopf. In den vergangenen Tagen habe ich mich auch bei den Pfarrern in der Westeifel über die Situation vor Ort informiert. Dort sind Gott sei Dank keine Menschenleben zu beklagen, aber es gibt auch Menschen, die nun vor dem Nichts stehen: Haus oder Wohnung sind nicht mehr da oder der Betrieb ist zerstört. Das ist sehr schmerzlich.

Frage: Sie haben vor vielen Jahren im Ahrgebiet gelebt und dort als Priester gewirkt. Geht Ihnen die Situation deshalb besonders nahe?

Ackermann: Ich kenne die Ahrregion sehr gut. Ich war Kaplan in der Nähe, im Ort Bad Breisig am Rhein. Später habe ich das Spätberufenenseminar in Lantershofen geleitet. Die Ahr fließt durch eine malerische Landschaft, eine wunderschöne Natur, die sozusagen von einem Moment zum anderen zu einer tödlichen Bedrohung wurde. Das ist ein derart krasser Gegensatz, der meine Erschütterung noch vergrößert. Zudem sind die Menschen im Ahrtal als heitere Zeitgenossen bekannt. Die Leute dort haben Lebensmut, sind lebensfroh. Das merkt man auch in den zahlreichen Berichten, wenn Menschen erzählen, dass sie dankbar dafür sind, mit dem Leben davongekommen zu sein und nun die Aufgabe annehmen, wieder Ordnung in die Verwüstung zu bringen. Dieser große Lebensmut wird auf eine harte Probe gestellt.

Frage: Auch in Ihrer Bischofsstadt Trier sind Menschen von den Folgen des Unwetters massiv betroffen.

Ackermann: Das stimmt, der Stadtteil Ehrang im Norden Triers ist stark betroffen. Das kirchliche Krankenhaus dort wird auf Monate nicht benutzbar sein, weil es so stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wenigstens konnten die Patienten evakuiert werden. Inzwischen konnten fast alle Vermisstenmeldungen positiv aufgeklärt werden.

Bischof Stephan Ackermann steht in einem Kreuzgang in Trier
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Stephan Ackermann ist seit 2009 Bischof von Trier.

Frage: Stehen Sie in regelmäßigem Kontakt zu den kirchlichen Vertretern in der Region, den Pfarrern und den Gläubigen?

Ackermann: Ja, natürlich. Ich habe in den vergangenen Tagen zudem diejenigen angerufen, die in Regionen leben, die nicht im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit stehen, weil die dortigen Gebiete nicht ganz so stark betroffen sind. An vielen Stellen gibt es große Schäden an kirchlichen Gebäuden. Wir sind dabei, eine Bestandaufnahme zu machen. Das geht aber jetzt erst los, weil nun die Folgen des Unwetters sichtbar werden. Zum Teil sind auch Kindertageseinrichtungen sehr stark verwüstet. Die Verantwortlichen versuchen, Notbetreuungen zu organisieren. So wollen wir besonders den Eltern von kleinen Kindern zur Hilfe kommen. 

Frage: Was hören Sie von den Notfallseelsorgern aus ihrem Einsatz vor Ort?

Ackermann: An den meisten Orten gibt es eine gute Organisation, man arbeitet sehr eng mit Behörden und Helfern zusammen. Es herrscht eine große Bereitschaft zur Unterstützung, auch über die Notfallhilfe hinaus. Aber diejenigen, die die ersten Tage im Einsatz waren, müssen nun selbst Unterstützung erhalten. Es braucht auch Seelsorge an den Seelsorgern, damit sie Luft holen können. Auch für die Einsatzkräfte, wie die Feuerwehrleute, ist es natürlich sehr wichtig, Gesprächsmöglichkeiten zu haben, um das Erlebte verarbeiten zu können. Denn das sind ja zumeist Menschen, die selbst aus der betroffenen Gegend kommen und nun zum Teil schreckliche Dinge in der eigenen Nachbarschaft sehen, von denen sie erschüttert werden. Im Bistum haben wir einen Arbeitsstab eingerichtet, der die Seelsorge und die Hilfe koordiniert, um unsere Kräfte bestmöglich zu bündeln.

Frage: Fernab der Seelsorge: Wie hilft das Bistum Trier den Betroffenen?

Ackermann: Wir haben ein Spendenkonto eingerichtet. Von Caritas und Bistum wurden 50.000 Euro darauf eingezahlt. Das ist natürlich nur eine erste Summe, mit der wir aber helfen möchten, wo Menschen stark betroffen sind und es keine anderen Möglichkeiten der Unterstützung gibt. Mich berührt zudem sehr, dass viele andere Diözesen in Deutschland diese Unwetter-Hilfe mit teilweise sehr hohen Geldsummen aufstocken. Ich habe von mehreren Bischöfen Briefe erhalten, in denen sie mir ihr Mitgefühl und ihre Unterstützung zugesagt haben.

Frage: Wie wird diese Katastrophe auf lange Sicht die betroffenen Regionen und das Bistum Trier prägen?

Ackermann: Sie macht deutlich, dass wir Menschen auch im 21. Jahrhundert von der Natur abhängig sind und verletzlich bleiben – bei allen Absicherungen, die wir haben. Das ist eine Lehre aus der Corona-Pandemie, die wir auch jetzt wieder ziehen müssen. Wir sollten uns eingestehen, dass für alle Menschen ein Rest Verletzlichkeit bleibt, mit dem wir umgehen müssen. Wir sehen auch, dass solche extremen Wetterphänomene jetzt häufiger auftreten. Alles deutet darauf hin, dass wir selbstkritisch auf unseren Lebensstil schauen müssen. Das Thema Umweltschutz müssen wir alle noch beherzter als bisher angehen – das gilt auch für die Kirche. Diese Katastrophe wird im kollektiven Gedächtnis der Bewohnerinnen und Bewohner sehr präsent bleiben. Es braucht hier eine Erinnerungskultur, die die Regionen prägen wird, schmerzlich, aber auch mit Dankbarkeit angesichts des Zusammenhalts der Menschen, die sich in dieser großen Not ohne viele Worte unterstützt haben.

Von Roland Müller

Hilfsangebote des Bistums Trier

Das Bistum Trier hat seine Hilfsangebote für die Betroffenen der Hochwasser-Regionen auf einer zentralen Internetseite zusammengefasst. Spendenkonten sind ebenfalls angegeben.