Nach Artikel in der Zeitschrift "Theologisches"

Wegen Volksverhetzung: Strafbefehl gegen polnischen Theologen Oko

Veröffentlicht am 27.07.2021 um 12:54 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Er hatte Homosexuelle in einem Zeitschriftenartikel unter anderem als "Krebsgeschwür" bezeichnet. Jetzt hat das Amtsgericht Köln einen Strafbefehl gegen den polnischen Theologen Dariusz Oko erlassen. Konservative Kreise in Polen wüten dagegen und haben eine Petition gestartet.

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Nach einem Artikel in der Zeitschrift "Theologisches" wurde vom Amtsgericht Köln ein Strafbefehl wegen Volksverhetzung gegen den polnischen Priester, Theologe und Publizist Dariusz Oko erlassen. Das berichteten polnische Medien am Montag. Das Gericht selbst erklärte am Dienstag auf Anfrage von katholisch.de, dass gegen einen Autor der Zeitschrift ein Strafbefehl über 4.800 Euro erlassen worden sei, Okos Namen wollte die Behörde allerdings nicht explizit bestätigen. Zugleich wies eine Gerichtssprecherin darauf hin, dass der Strafbefehl noch nicht rechtskräftig sei und der Anwalt des Angeklagten bereits Einspruch eingelegt habe. Nun kommt es wahrscheinlich zu einer Hauptverhandlung.

Konkret geht es in dem Fall um einen Artikel Okos in der Ausgabe Januar/Februar 2021. Unter der Überschrift "Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen" hatte der Geistliche darin eine angebliche Dominanz Homosexueller in der katholischen Kirche beklagt und homosexuelle Priester als Gefahr für die Kirche beschrieben. In dem Artikel bezeichnete Oko homosexuelle Geistliche unter anderem als "eine Kolonie von Parasiten", "Krebsgeschwür" und "homosexuelle Plage", die Rechte Homosexueller sind seiner Meinung nach eine "Homo-Ideologie" und "Homo-Häresie". In der Ausgabe vom März/April hatte Oko dann einen zweiten Teil des Artikels veröffentlicht, in dem in ähnlicher Weise geurteilt wurde. In diesem Text schrieb Oko unter anderem, dass es notwendig sei, in der Kirche "ein ganzes System zum Schutz 'wehrloser Erwachsener' zu schaffen, die zum Opfer von homosexuellen Raubtieren in Soutane oder Kutten geworden sind oder werden könnten".

Münchner Priester Rothe erstattete Anzeige gegen Oko

Nach der Veröffentlichung des ersten Artikels hatte der Münchner Priester Wolfgang F. Rothe, der sich für die Rechte Homosexueller in der Kirche engagiert, Oko und den verantwortlichen Redakteur von "Theologisches", Johannes Stöhr, nach eigenen Angaben bei der Staatsanwaltschaft Köln wegen Volksverhetzung angezeigt. Laut polnischen Medienberichten wurde auch gegen Stöhr ein Strafbefehl erlassen, das Gericht bestätigte dies jedoch nicht.

Whiskyvikar Wolfgang F. Rothe
Bild: ©Bernhard Czerny (Archivbild)

Brachte das Verfahren gegen den Artikel von Dariusz Oko mit seiner Anzeige in Gang: Der Münchner Priester Wolfgang F. Rothe.

Laut dem in Auszügen im Internet einsehbaren Strafbefehl war Oko in dem Verfahren von der Kölner Staatsanwaltschaft beschuldigt worden, mit seinem ersten Artikel "gegen einen Teil der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt sowie die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen zu haben, dass Sie Teile der Bevölkerung beschimpften und böswillig verächtlich machten". Erlassen wurde der Strafbefehl auf Basis des Paragrafen 130 Strafgesetzbuch.

Oko wurde 1960 in Oświecim, dem früheren Auschwitz, geboren. 1985 wurde er zum Priester geweiht, anschließend promovierte er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Seit 1992 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Päpstlichen Universität Johannes Paul II. in Krakau und Resident in der dortigen Sankt-Hedwig-Pfarrei. 1996 verteidigte er seine zweite theologische Doktorarbeit an der Krakauer Johannes-Paul-II.-Universität, 2011 wurde er in Philosophie habilitiert. In der Vergangenheit hat er sich immer wieder ablehnend über Homosexualität und Gender geäußert.

Konservatives polnisches Institut unterstützt Oko

Neben zahlreichen anderen polnischen Medien berichtete am Montag auch die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" über den Fall. Unter anderem wies die Zeitung darauf hin, dass Oko bei dem Kölner Verfahren – neben seinem Anwalt in Deutschland – vom polnischen Institut "Ordo Iuris" unterstützt werde. Das Institut, das als sehr konservativ gilt, habe darauf verwiesen, dass Okos Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Zudem startete "Ordo Iuris" eine an das Kölner Amtsgericht und Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtete Petition mit dem Ziel, die Wissenschafts-, Meinungs- und Gewissensfreiheit in Deutschland zu schützen.

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Mit Blick auf den Artikel Okos betonte das Institut, dieser sei Ausdruck der Ansichten des Geistlichen sowie seiner Sorge um die christliche Gemeinschaft. Der vom Gericht in Köln verhängte Strafbefehl stehe im Widerspruch zum Grundgesetz der Bundesrepublik sowie zu internationalen Dokumenten wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die jedem Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung einräume. Das Urteil des Amtsgerichts sei eine Einschränkung des Forschungs- und Meinungsfreiheit Okos und könne zudem als Einschränkung der Pressefreiheit gedeutet werden.

Der Präsident von "Ordo Iuris", Jerzy Kwaśniewski, äußerte auf der Internetseite des Instituts "ernsthafte Bedenken" gegen das Kölner Urteil. Artikel 130 des deutschen Strafgesetzbuchs verbiete zwar Hassreden gegen eine ganze Reihe von Gruppen; von denen werde jedoch keine einzige in Okos Artikel erwähnt. Das Urteil des Amtsgerichts bleibe in seiner Begründung deshalb wohl auch sehr vage. "Darüber hinaus haben wir es mit einem wissenschaftlichen Artikel zu tun, wir bewegen uns also im Bereich der akademischen Freiheit, die auch durch das deutsche Grundgesetz geschützt wird", so Kwaśniewski.

Fall könnte deutsch-polnisches Verhältnis weiter belasten

Welche Dimensionen der Fall auch im ohnehin angespannten deutsch-polnischen Verhältnis in der nächsten Zeit noch annehmen könnte, zeigt ein Tweet des stellvertretenden polnischen Justizministers Marcin Romanowski. Darin schrieb er am Montag mit Blick auf das Urteil gegen Oko, die deutsche Justiz habe die akademische Freiheit mit Füßen getreten und gezeigt, dass es Täter mehr schütze als Opfer. Oko habe lediglich in einem wissenschaftlichen Artikel über eine Gruppe von Vergewaltigern berichtet, die innerhalb der Kirche operierten, so der Politiker.

Oko selbst äußerte sich im polnischen Fernsehsender TVP Info zu dem Strafbefehl gegen ihn. Unter anderem beharrte er darauf, einen wissenschaftlichen Artikel geschrieben zu haben. "Ich sammle bekannte Fakten über Homosexuelle in Soutane und ihre Gewohnheiten. Diese 'Lavendel-Mafia' spielt eine ähnliche Rolle wie die Mafia in Sizilien", so Oko wörtlich. Zugleich empörte er sich über das Kölner Urteil. Die Deutschen wollten ihn ins Gefängnis stecken, obwohl seine Großeltern Juden vor den Nazis gerettet und dafür ihr Leben riskiert hätten. Und weiter: "Ich bin ähnlich entschlossen, die Kirche vor Homocliquen zu retten."

Von Steffen Zimmermann