Patrick Kuebart von Caritas international berichtet von seiner Arbeit in Afghanisten

Die Arbeit ist noch nicht zu Ende

Veröffentlicht am 30.03.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Afghanistan

Bonn ‐ Nach zweieinhalb Jahren in Kabul kehrt Patrick Kuebart jetzt nach Deutschland zurück. Im Interview zieht der Leiter des Afghanistan-Büros von Caritas international eine Bilanz seiner Arbeit und berichtet über das Drogenproblem vor Ort. Er blickt auf die Perspektiven und Chancen Afghanistans, das bei den Präsidentschaftswahlen am 5. April vor einer wichtigen Richtungsentscheidung steht.

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Frage: Herr Kuebart, Sie haben seit 2011 die Arbeit von Caritas international in Afghanistan koordiniert. Wo waren die Schwerpunkte?

Kuebart: Unsere Nothilfe konzentriert sich auf die entlegene Hochlandregion im Zentrum Afghanistans. Dort organisieren wir Ernährungshilfen und legen Trinkwasserbrunnen an. Mit unseren afghanischen Partnerorganisationen haben wir auch Gesundheitsstationen und Schulen aufgebaut. Zum Glück ist die Sicherheitslage in diesem Teil des Landes recht gut. Auch die Bildungsbereitschaft der Menschen beeindruckt: Viele Eltern schicken ihre Kinder jeden Tag auf einen mehrstündigen Schulweg zur nächsten Schule. In einem zweiten Schritt wollen wir jetzt Programme starten, um die Ernährungssicherung zu stabilisieren. Da geht es etwa um bessere landwirtschaftliche Anbautechniken und um den Schutz der natürlichen Ressourcen, damit beispielsweise kein Teufelskreis aus Dürre, Abholzung und Bodenerosion entsteht.

Frage: Und in der Millionenstadt Kabul?

Kuebart: Die Zahl der von Krieg und Gewalt Traumatisierten in Afghanistan ist erschreckend hoch. Bis vor wenigen Jahren gab es aber kaum psychologische Hilfen. Deshalb haben wir in der Hauptstadt erste Beratungsangebote aufgebaut. Mittlerweile hat sich eine eigene Ausbildung zum psychosozialen Berater etabliert. Auch in den staatlichen Gesundheitsstationen gibt es nun landesweit entsprechende Hilfsangebote. Das ist ein enormer Fortschritt. Zudem ist Caritas international in der Suchtberatung tätig. Die ganze Welt spricht vom Opiumanbau in Afghanistan, niemand aber vom Konsum, vom dramatisch wachsenden Drogenproblem vor Ort.

Frage: Was wäre nötig?

Kuebart: Wir haben ein Entzugsprogramm für Männer aufgebaut und eine Beratungsstelle für Frauen gegründet. Aber es müsste mehr passieren. Staatliche Hilfen gibt es kaum. Die Familien wohnen oft gemeinsam in einem kleinen Raum. Wenn dann der Mann Opium oder Heroin inhaliert, raucht jeder im Raum passiv mit. So werden selbst Kinder abhängig. Die Betroffenen wollen wir medizinisch und psychologisch unterstützen.

Frage: Mit Erfolg?

Kuebart: Es ist ein sehr schwieriges Arbeitsfeld, das einen langen Atem braucht. Es gibt hohe Rückfallquoten, man arbeitet mit oft sehr kranken Menschen. Auch die Finanzierung ist schwierig.

Bild: ©KNA

Kuebart

Frage: Trotz der enorm hohen Hilfsmittel der vergangenen Jahre lebt jeder zweite Afghane in absoluter Armut, hat weniger als einen Euro pro Tag. Das Käßmann-Wort "Nichts ist gut in Afghanistan" hallt nach. Machen wir uns in Deutschland ein falsches Bild?

Kuebart: Es gibt Entwicklungen und Fortschritte. Jeder Kritiker sollte sich zunächst einmal vergegenwärtigen, wo Afghanistan stand, als die internationale Gemeinschaft intervenierte. Es war nach einem langen Krieg fast die gesamte soziale und materielle Infrastruktur zerstört. Es gab keine Basis, auf der man aufbauen konnte. Selbst in Kabul mussten Straßen, Schulen und Krankenstationen erst einmal wieder eingerichtet werden. Natürlich ist das längst nicht abgeschlossen, aber es ist in den vergangenen zehn Jahren doch sehr viel passiert.

Frage: Ende des Jahres werden die internationalen Soldaten Afghanistan verlassen. Der Abzug der Bundeswehr ist in vollem Gange. Wie verändert dieser Schritt das Land?

Kuebart: Für die Entwicklungsarbeit wird sich nicht viel ändern. Wir sind seit 30 Jahren vor Ort, wir waren vor der Bundeswehr im Land und werden es auch nach ihrem Abzug sein. Wichtig ist aber, dass Afghanistan nicht aus dem Fokus gerät und dass die internationale Gemeinschaft dem Staat zur Seite steht. Dazu gehört sicher auch die Unterstützung bei der Ausbildung der Sicherheitsorgane. Der Westen darf die Afghanen aber auch bei der finanziellen Hilfe hin zu einer weiteren Entwicklung nicht alleine lassen.

Frage: Welche Rolle spielen die Präsidentschaftswahlen am 5. April, bei dem der langjährige Präsident Hamid Karzai nicht mehr antreten darf?

Kuebart: Viele Afghanen sind optimistisch, dass es zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Landes einen friedlichen Machtwechsel geben wird. Auch wenn es Drohungen der Taliban gibt, die Anschläge angekündigt haben. Die Hoffnung ist groß, dass Karzais Nachfolger weiter voranschreiten, das Land etwas mehr befrieden kann und es ihm gelingt, die internationale Gemeinschaft vor Ort zu halten, um die Entwicklung voranzutreiben.

Frage: Deutschland hat angekündigt, nach dem Abzug der Bundeswehr weiterhin in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren...

Kuebart: ... und das ist ein enorm wichtiges Signal. Die Bevölkerung muss spüren: Ja, Menschen helfen uns, wir können auf eine gute Zukunft hoffen. Entwicklung geschieht nicht über Nacht. Das Land braucht das langfristige Engagement der internationalen Gemeinschaft. Deshalb müssen wir uns darauf einstellen, mindestens noch 15 weitere Jahre präsent zu bleiben .

Das Interview führte Volker Hasenauer (KNA)