Hildesheimer Missbrauchsgutachten belastet Bischof

Adveniat: Vertuschung durch Ex-Geschäftsführer Stehle beschämend

Veröffentlicht am 15.09.2021 um 16:14 Uhr – Lesedauer: 
Adveniat: Vertuschung durch Ex-Geschäftsführer Stehle beschämend
Bild: © KNA

Essen ‐ Der ehemalige Adveniat-Geschäftsführer und Bischof Emil Stehle soll an der Vereitelung der Strafverfolgung eines Missbrauchspriesters mitgewirkt haben. Das Hilfswerk reagiert darauf "entsetzt und beschämt".

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Das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat reagiert "entsetzt und beschämt" auf die Beteiligung des ehemaligen Adveniat-Geschäftsführers Emil Stehle (1926-2017) an der Vereitelung der Strafverfolgung eines Priesters. Der Fall wurde am Dienstag durch eine Hildesheimer Missbrauchsstudie bekannt. "Das Haus Adveniat - seine Leitung und seine Mitarbeitenden - denken hier zuerst an das Leid der Opfer, das durch die Beteiligung Stehles an der Strafvereitelung vergrößert wurde. Wir bedauern dies zutiefst", teilte das Hilfswerk am Mittwoch in Essen mit.

Gegen den beschuldigten Geistlichen hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig laut Studie 1963 wegen des Verdachts des wiederholten sexuellen Missbrauchs an schutzbefohlenen Minderjährigen Haftbefehl erlassen. Der Priester sei vor der deutschen Polizei nach Paraguay geflohen. Stehle trug demnach dazu bei, dass der Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte.

Stehle, damals Leiter einer Koordinierungsstelle für deutsche Geistliche in Lateinamerika, war laut aktuellen Erkenntnissen vom damaligen Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen (1907-1988) in einem vertraulichen Brief 1976 aufgefordert worden, den Namen des Priesters aus Listen "absolut verschwinden zu lassen". Dieser Aufforderung sei Stehle nachgekommen. Damit habe er sich der Vereitelung der Strafverfolgung schuldig gemacht und sei dadurch zum Helfer und Mittäter in einem Fall sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen geworden. Adveniat verurteilte diese Beteiligung Stehles an einem System der Vertuschung.

Adveniat sichert Unterstützung bei weiteren Ermittlungen zu

Der in der Hildesheimer Missbrauchsstudie benannte Fall und die Vorwürfe gegen Stehle seien den heute Verantwortlichen bei Adveniat bisher nicht bekannt gewesen. Das Lateinamerika-Hilfswerk sicherte seine Unterstützung bei möglichen weiteren Ermittlungen zu. Emil Stehle war den Angaben zufolge 1972 von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) mit der Leitung der neu errichteten Koordinierungsstelle für Fidei Donum-Priester in Lateinamerika beauftragt worden. Als Fidei Donum-Priester werden Priester bezeichnet, die von ihrer Heimatdiözese für eine befristete Zeit in Diözesen der Weltkirche entsandt werden. Die Koordinierungsstelle wurde bei der Bischöflichen Aktion Adveniat eingerichtet.

Stehle wurde 1926 in Mülhausen geboren und 1951 zum Priester geweiht. 1972 wurde er stellvertretender Adveniat-Geschäftsführer und 1977 Geschäftsführer. 1983 wurde er Weihbischof im Erzbistum Quito in Ecuador, blieb aber zugleich Adveniat-Geschäftsführer bis 1988. 1987 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof der Diözese Santa Domingo de los Colorados in Ecuador. 2002 nahm der Papst seinen altersbedingten Rücktritt an. Stehle starb 2017.

Das Hildesheimer Gutachten stellt "eklatante Missstände" im Umgang mit Missbrauch während Janssens Amtszeit zwischen 1957 und 1982 fest. Janssen ist der erste deutsche Bischof, dem auch selbst sexualisierte Gewalt gegenüber Minderjährigen angelastet wird. Diese Vorwürfe bleiben jedoch auch nach der Studie weiter offen. (tmg/KNA)