"Wir müssen mit den Taliban reden"

Deutsche Bischöfe fordern weitere humanitäre Hilfe für Afghanistan

Veröffentlicht am 21.09.2021 um 15:44 Uhr – Lesedauer: 

Fulda ‐ "Es droht eine Hungerkatastrophe, das darf uns nicht gleichgültig sein": Auch das Thema Afghanistan stand auf der Agenda der deutschen Bischöfe bei der Herbstvollversammlung. "Wir müssen mit den Taliban reden, um Hilfen fortzuführen und auszuweiten."

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Die deutschen Bischöfe haben auch nach der Taliban-Machtübernahme zu weiterer humanitärer Hilfe in Afghanistan aufgerufen. "Wir müssen mit den Taliban reden, um Hilfen fortzuführen und auszuweiten", sagte der Leiter der Bischöflichen Kommission Weltkirche, Erzbischof Ludwig Schick, am Dienstag in Fulda. "Es droht eine Hungerkatastrophe, das darf uns nicht gleichgültig sein." Es gelte jetzt, neue Spielräume für Hilfen auszuloten, insbesondere auch für Frauen. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) sind derzeit noch die beiden kirchlichen Hilfsorganisationen Misereor und Caritas international in Afghanistan tätig. Viele laufende Projekte könnten derzeit aber nicht fortgeführt werden. Alle deutschen Mitarbeiter hätten das Land verlassen.

Der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Heiner Wilmer, sprach von einer moralischen Pflicht zur Hilfe. Er sorge sich insbesondere um die Afghaninnen und Afghanen, die mit deutschen Entwicklungsorganisationen zusammengearbeitet haben. "Wir haben Informationen, dass die Taliban derzeit entsprechende Namenslisten erstellen, das verheißt nichts Gutes", sagte der Hildesheimer Bischof. Er befürchte, dass die in den vergangenen Jahren gelungene Bildung und Emanzipation von Mädchen und Frauen in einer Katastrophe ende.

Zugleich forderte Wilmer eine umfassende Analyse, warum viele Ziele des Afghanistan-Einsatzes nicht erreicht worden seien und der Westen nun vor den "Trümmern des internationalen Engagements" stehe. Er kritisierte, das militärische Eingreifen in Afghanistan habe zu wenig die Interessen und die Kultur der Menschen vor Ort berücksichtigt. Es sei von eigenen "kurzfristigen Sicherheitsinteressen" geprägt gewesen.

Overbeck: Soldaten und Angehörige haben hohen Preis gezahlt

Militärbischof Franz-Josef Overbeck betonte, auch Bundeswehrsoldaten und ihre Angehörigen hätten einen hohen Preis für den Einsatz gezahlt. Auch deshalb müssten die deutsche Gesellschaft und die Politik den Einsatz der Bundeswehrsoldaten würdigen und aufarbeiten. Den Soldatinnen und Soldaten solle in der "Bewältigung der Folgen" jede Unterstützung zuteilwerden, die sie benötigten, forderte der Essener Bischof. Er beschrieb zugleich das große Leid der afghanischen Bevölkerung, die "jetzt unter dem Regime der Taliban leben muss".

Overbeck erinnerte an 59 in Afghanistan getötete Bundeswehrsoldaten; viele weitere seien an Körper und Seele verwundet worden: "Das, was die Soldaten im Einsatz erleben und erleiden mussten, prägte und veränderte häufig auch den Lebensalltag vieler Angehöriger in Deutschland." Zuletzt hätten der Abzug der Soldaten und das Chaos am Flughafen Kabul tiefe Spuren hinterlassen, sagte Overbeck. "Soldaten mussten vor Ort miterleben, wie alles, wofür sie jahrelang eingetreten sind, in einem Desaster endete. Die Gewissheit, zahlreiche Menschen nicht weiter vor dem Zugriff der Taliban schützen zu können, bleibt für viele Soldaten eine schwere Belastung." Der Bischof sicherte den Soldatinnen und Soldaten weitere Unterstützung und Hilfen der Militärseelsorger zu. Dazu gehöre auch, die Erfahrungen des Afghanistan-Einsatzes intensiv aufzuarbeiten.

Die drei Bischöfe äußerten sich bei einem Pressegespräch auf der Herbstvollversammlung der DBK, die noch bis Donnerstag dauert. Am Dienstag wollten die mehr als 60 Bischöfe zudem die Mitglieder ihrer 14 Kommissionen neu wählen, die die inhaltliche Arbeit der Bischofskonferenz leisten. Ein weiteres Thema bei den Gesprächen sollte der vom Papst ausgerufene weltweite Synodale Prozess sein. (tmg/KNA)