Kann die katholische Kirche demokratisch regiert werden?
"Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen. Sie zu weiden, hat unser Erlöser (...) dem Petrus übertragen, ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut, für immer hat er sie als Säule und Feste der Wahrheit errichtet. Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird."
Mit diesen wuchtigen Sätzen hat das Zweite Vatikanische Konzil 1964 die überlieferte Lehre vom hierarchischen Aufbau der katholischen Kirche fortentwickelt und festgeschrieben. Zu den wichtigen Fortschritten zählte damals die Aufwertung des bischöflichen Leitungsamtes. Hatte das Erste Vatikanische Konzil 1870 noch die zentrale Macht des Papstes betont, wurde nun mit der Formel "unter Petrus und mit Petrus" das Bischofskollegium dem Papst beinahe gleichgestellt.
Von einer demokratischen Struktur nach dem Vorbild protestantischer, synodal verfasster Kirchen blieb die römische Kirche dennoch weit entfernt. Sie blieb eine Hierarchie, also eine "heilige Herrschaftsordnung", in der die Autorität, verbindlich zu lehren, Seelsorger zu ernennen und Pfarreien zu errichten, den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel vorbehalten ist.
Versuche der Demokratie
Nach dem Konzilsende 1965 hat es immer wieder Versuche gegeben, Elemente demokratischer Mitbestimmung und Machtkontrolle einzuführen. Auf globaler Ebene schuf der Papst schon bald die Welt-Bischofssynode als ein Organ, das ihn als Kollegium berät und dafür mit Mehrheit entscheidet. Auch in den Bistümern mancher Länder gibt es beratende Gremien. In einigen wenigen im Südwesten Deutschlands und in der Schweiz haben sie sogar eine Art Vetorecht – wenigstens in Finanzfragen. Und in den Pfarreien wurden demokratisch gewählte Gremien eingeführt, die in der Praxis häufig gemeinsam mit dem leitenden Pfarrer wichtige Fragen beraten und entscheiden.
Dies alles ändert aber wenig daran, dass die eigentliche Macht in den Bistümern, insbesondere in Personalfragen, weiter von den Bischöfen und ihren Generalvikaren sowie den sie umgebenden Leitungsgremien ausgeübt wird. Mehrere Studien über den Umgang von Bistümern mit Fällen von sexuellem Missbrauch durch Geistliche haben schonungslos gezeigt, wie noch bis in die jüngere Vergangenheit in diesen hermetisch abgeschotteten klerikalen Machtzirkeln Straftaten vertuscht und Täter gedeckt oder versetzt wurden. Die Opfer konnten sich diesen Alleinentscheidern nur als rechtlose Bittsteller nähern.
Ein Papier, das es in sich hat
Es war vor allem diese bittere Erkenntnis, die beim 2019 von den deutschen Bischöfen beschlossenen Reformprojekt "Synodaler Weg" dazu führte, das Thema "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" zu einer zentralen Frage zu machen. Die synodale Arbeitsgruppe "Forum I" hat einen ausführlichen "Grundtext" zu diesem Thema verfasst, der es in sich hat. Letztlich fordert er eine Kontrolle und Eingrenzung bischöflicher Macht durch demokratisch gewählte Gremien in den einzelnen Bistümern sowie – und das ist grundlegend neu – bundesweit.
Ob dies der Lehre von der Kirche, wie sie das letzte Konzil formuliert hat, widerspricht, oder ob es sie bloß mit einem kreativen Sprung weiterentwickelt, wurde schon im Vorfeld der Zweiten Synodalversammlung heftig diskutiert. Die Glaubenskommission der Bischofskonferenz warf die Frage auf, ob nicht diese neue Kirchenstruktur dem Wesen der katholischen Kirche widerspricht. Und in der "Herder Korrespondenz" (Oktober) machte der Politikwissenschaftler Mariano Barbato darauf aufmerksam, dass die vom synodalen "Macht-Forum" geforderte Bindung der Kleriker an die Entscheidungen von gewählten Laiengremien die Kleriker in eine paradoxe Lage bringt: Sie sind innerhalb der Hierarchie an Vorgaben "von oben" gebunden – und sollen sich künftig auch noch an Vorgaben "von unten" binden, die den Weisungen von oben möglicherweise widersprechen.
Traditionelles vs. revolutionäres Kirchenbild?
Ein konservativer Gegenentwurf zum Grundtext des synodalen Forums versucht auf der einen Seite, den Wunsch nach mehr Transparenz bei der Ausübung bischöflicher Macht ernst zu nehmen. Er bleibt aber auf der anderen Seite beim traditionellen hierarchischen Aufbau, in dem die Priesterweihe das allein entscheidende Kriterium für die Ausübung von Macht bleibt. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller hat – ebenfalls in der "Herder Korrespondenz" – darauf hingewiesen, damit werde noch nicht einmal der vom letzten Konzil eröffnete Spielraum für ein Mitspracherecht der Gläubigen voll ausgeschöpft.
Beim Synodalen Weg prallen damit ein eher traditionelles und ein beinahe revolutionäres Kirchenbild aufeinander. Wenn daraus ein gangbarer Reformvorschlag entstehen soll, der später auch auf Ebene der katholischen Weltkirche eine Chance auf Verwirklichung hätte, muss er wohl – wie einige Bischöfe bei der Herbstvollversammlung in Fulda betonten – stärker als die beiden vorliegenden Alternativmodelle an die Lehre des letzten Konzils anknüpfen.