Theologen diskutieren die Frage, ob Außerirdische Christen sein könnten

Missionsgebiet Mars?

Veröffentlicht am 16.05.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Theologie

Bonn ‐ Wie hält die Kirche es mit Marsmännchen? Albern oder Science-Fiction? Weder noch: In der Geschichte haben sich erstaunlich viele Theologen mit außerirdischem Leben beschäftigt - und zwar sehr ernsthaft.

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Eine Predigt von Papst Franziskus aus der Frühmesse Anfang der Woche ging um die Welt. Der Pontifex widmete sich einer ungewöhnlichen Frage: Wie hält die Kirche es mit Marsmännchen? Albern oder Science-Fiction? Weder noch: In der Geschichte haben sich erstaunlich viele Theologen mit außerirdischem Leben beschäftigt - und zwar sehr ernsthaft.

Franziskus predigte darüber, dass Christen offen sein und nicht die Türen verschließen sollen, die der Heilige Geist öffnet – dann sprach er über Außerirdische: "Wenn morgen eine Expedition von Marsmännchen käme, zum Beispiel - grün, mit langer Nase und großen Ohren, so wie Kinder sie malen - und eines von ihnen bittet um die Taufe, was würde dann passieren?"

Taufe für Außerirdische?

So spekulativ die Frage ist: Das Beispiel von Papst Franziskus zeigt, warum sich durch die Möglichkeit außerirdischen intelligenten Lebens für die Theologie und für unser Verständnis des Heilshandeln Jesu Christi interessante Sichtweisen ergeben. Wirkt der Kreuzestod Christi für das ganze Universum befreiend? Ist Christus für alle gestorben?

Der Jesuit Guy Consolmagno , Astronom an der vatikanischen Sternwarte, möchte aus diesen Spekulationen lernen und hat mit seinem Mitbruder Paul Mueller ein ganzes Buch zum Thema geschrieben, das im Herbst in den USA erscheint: "Would You Baptize an Extraterrestrial?" ("Würden Sie einen Außerirdischen taufen?"). "Diese Frage lässt uns ganz neu darüber nachdenken, was Taufe überhaupt bedeutet", findet der Ordensmann.

Linktipp: Das weltallgrößte Bistum

1969 war die ganze Welt im Weltall-Fieber: Zum ersten Mal setzen Menschen den Fuß auf einen neuen Himmelskörper. Das bewegte auch die Kirche: Zu welchem Bistum nur gehört der Mond?

In einem älteren Buch gibt sich Consolmagno sehr offen. Natürlich reiche die Liebe Gottes auch über unseren Planeten hinaus, auch Außerirdische könnten eine Seele haben und Gottes Ebenbild sein: "Intelligenz und freier Wille sind die unerlässlichen Voraussetzungen, um in einer liebenden Beziehung zu anderen zu stehen, ob es um ein Mitgeschöpf geht oder um Gott." Dass Außerirdische keine Menschen sind und nicht von Adam abstammen, schließt sie daher für Consolmagno nicht von der Gnade Gottes aus.

An die Ränder der Welt

In der Kirche wurde ein ähnliches Thema schon einmal diskutiert, allerdings anhand der Menschen in entlegenen Gebieten der Erde, die gar nicht die Möglichkeit hatten, von Christus zu wissen. Paulus schreibt im Römerbrief von "Heiden, die das Gesetz nicht haben", aber dennoch gerecht sein können.

In der spätantiken Welt wurde sogar spekuliert, ob es außerhalb der bekannten Gebiete auch intelligente Wesen gebe, die nicht von Adam abstammen. Der heilige Zacharias, der im 8. Jahrhundert Papst war, lehnte es ab, sich überhaupt mit der Frage zu beschäftigen. Erst mit den Entdeckungsreisen der frühen Neuzeit und der Kolonialisierung der "Neuen Welt" wurde sie relevant: Sind die Ureinwohner, die von westlichen Eroberern ermordet, versklavt und unterworfen werden, überhaupt "echte" Menschen?

Planet Mars mit einer Sonde im Vorgergrund
Bild: ©dpa

Undatiertes Computerbild zeigt die Marssonde "Maven" mit dem Planet Mars im Hintergrund.

Bis alle Menschen, auch die Ureinwohner, als vollwertige Menschen anerkannt wurden, brauchte es viel Überzeugungsarbeit: Der Dominikaner Bartolomé de Las Casas verteidigte die Ureinwohner gegen die wirtschaftlichen Interessen der Kolonialisten. Er sprach ihnen eine Seele zu und konnte schließlich Papst Paul III. überzeugen, in der Bulle "Sublimis Deus" im Jahr 1537 die Versklavung der Ureinwohner zu verbieten. Auch sie hätten eine Seele und das Recht, Christus kennenzulernen.

Weltall voll von intelligenten Wesen?

Nachdem es keine unbekannten Flecken mehr auf der Erde gab, richtete sich gelegentlich der Blick der Theologen ins All, es wurde über die Möglichkeit von Außerirdischen nachgedacht. Im 19. Jahrhundert argumentierte der Breslauer Dogmatikprofessor Josef Pohle sogar, dass wegen der Größe und Herrlichkeit Gottes davon auszugehen sei, dass das Weltall voll von intelligenten Wesen sei. Dann aber stellt sich die Frage, was das für das Christentum bedeutet: Gott ist Mensch geworden zu einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort: Jesus von Nazareth, Sohn Maria und Josefs, geboren in Bethlehem, als Augustus Kaiser war und Quirinius Statthalter von Syrien -- und eben nicht auf einem ganz anderen Planeten.

Der vielseitig begabte Pierre Teilhard de Chardin, Theologe, Geologe und Evolutionsforscher, ging 1953 davon aus, dass dieser Jesus von Nazareth für das ganze Universum genügt: "Das Universum ist so vollkommen eins, dass ein einziges Eintauchen des Sohnes Gottes in seinen Schoß es ganz überflutet und durchdringt mit seiner Gnade der Sohnschaft."

Ähnlich argumentiert Karl Rahner im "Lexikon für Theologie und Kirche", in dessen zweiter Auflage er den Artikel zu "Sternenbewohnern" geschrieben hat -- freilich sehr reserviert. "Die Frage ist nach allen Seiten mit größter Zurückhaltung anzugehen", schreibt der Jesuit gleich zu Beginn und spricht -- da man Außerirdische wohl ohnehin nie treffen könne -- ganz im Sinne Papst Zacharias' von einer "existentiellen Bedeutungslosigkeit der Frage [...], die es uns verbietet, darüber allzusehr zu theoretisieren."

Gott wird Mensch - oder Marsmensch

Was Rahner freilich nicht davon abhält, fast 50 engbedruckte Zeilen lang zu theoretisieren. Er bleibt aber skeptisch und neigt dazu anzunehmen, dass die Menschwerdung Gottes an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit bedeutet, dass es tatsächlich nur auf der Erde beseelte Wesen gebe.

Anderer Meinung war der Zeitgenosse Rahners und Chardins, Paul Tillich. Er ging davon aus, dass das Weltall "in anderen Bereichen und zu anderen Zeiten für weitere göttliche Manifestationen offen" sei -- es könnte laut dem protestantischen Religionsphilosophen also mehrere Orte und Zeiten geben, zu denen Gott Mensch (oder Marsmensch) wird.

Über diese Möglichkeit spottete 200 Jahre zuvor schon der amerikanische Gründervater Thomas Paine. Wenn das so wäre, so der Religionskritiker, dann hätte Jesus sehr viel zu tun mit all den Reisen von Planet zu Planet. Bruder Guy Consolmagno findet das in seinem Buch gar nicht so abwegig und verweist auf die Eucharistie: "Christus ist wirklich und körperlich da an Millionen von Orten, er wird millionenmal hingegeben, jeden Tag bei jeder Feier der heiligen Messe."

Für Gott gibts es keine Grenzen

Natürlich: Alle diese Theologen betonen, dass die Existenz außerirdischer Wesen in höchstem Maße unsicher sei. Indem so scheinbar lächerliche und unwichtige Fragen von der Theologie durchdacht werden, lernen Christen viel über ihren Glauben. Es wird deutlich, dass der Heilswille und die Liebe Gottes vor Grenzen, irdischen wie außerirdischen, nicht halt machen: "Der Heilige Geist ist die lebendige Präsenz Gottes in der Kirche! Er lässt die Kirche vorangehen, immer weiter, über die Grenzen hinaus", sagte Franziskus in seiner Predigt. Eine Botschaft, die nicht nur Marsmännchen betrifft.

Von Felix Neumann