Migration: Kirchen werben für "aktivere Einbürgerungspolitik"
Die Kirchen in Deutschland fordern einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten. Es brauche einen "migrationsethischen Kompass", heißt es in einem Gemeinsamen Wort, das die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstag vorstellten. Dauerhafte, einfache Lösungen könne es in diesem Bereich nicht geben.
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm bezeichnete es als "unerträglich", was derzeit an der belarus-polnischen Grenze geschehe. Es sei "empörend, dass Diktator Lukaschenko die Menschen in Not als Verschiebemasse einsetzt". Die Betroffenen dürften indes nicht alleingelassen werden. Der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Franz-Josef Bode, betonte, angesichts dieser hochkochenden Emotionen sei es aktuell besonders wichtig, dass die Kirchen sich gemeinsam positionierten.
Bischöfe verteidigen Kirchenasyl
Im Bezug auf Deutschland werben die Kirchen für eine "aktivere Einbürgerungspolitik". Wenn Zugewanderte und ihre Nachfahren über viele Jahre von politischer Mitwirkung ausgeschlossen blieben, lasse sich dies "in einer Einwanderungsgesellschaft mit dem demokratischen Prinzip nicht vereinbaren", betonte Bode. Differenzierte Zugangsregeln zu sozialstaatlichen Leistungen seien politisch zulässig, so das Papier – sie dürften jedoch nicht zu einer "Relativierung der Menschenwürde" führen.
Die Gewährung von Kirchenasyl verteidigten die beiden Kirchenvertreter als "ultima ratio". Eine gelegentlich geäußerte Sorge vor einer "Aushöhlung des Rechts" sei unbegründet. Das Instrument des Kirchenasyls werde niemals inflationär eingesetzt, alleine schon wegen des hohen finanziellen, aber auch zeitlichen und emotionalen Einsatzes, sagte Bedford-Strohm. Flucht und Migration müssten ein wesentliches Thema bei den anstehenden Koalitionsgesprächen in Deutschland werden. Ein "Spurwechsel", den SPD, FDP und Grüne in ihrem Sondierungspapier erwähnt hatten, würde vieles erleichtern, so der bayerische Landesbischof.
Gemeinsames Wort "Migration menschenwürdig gestalten"
In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) haben die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein neues ökumenisches Migrationswort vorgestellt. Damit tragen sie den Entwicklungen und Veränderungen im Themenfeld Migration und Flucht Rechnung und fordern einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten und eine bessere Integration in die Gesellschaft.
Durch die Corona-Pandemie hätten sich Herausforderungen im Migrationsbereich verschärft. Auch "ungelöste Probleme innerhalb und zwischen den Mitgliedstaaten" der EU hätten sich weiter zugespitzt, heißt es in dem Papier. "Das selbstgesteckte Ziel der EU, ein gemeinsamer Raum des Schutzes und der Solidarität zu werden", sei "weitgehend verfehlt" worden: Dies zeige sich am Umgang mit Flucht über die Seewege oder an der "menschenrechtlich unerträglichen Situation" auf den griechischen Inseln.
"Eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, die den Geist der Humanität und Solidarität atmet, ist in Europa derzeit nicht in Sicht", kritisieren die Kirchen. Eine Reform bleibe "eine Aufgabe für die Zukunft". Bedford-Strohm erklärte, es brauche einen funktionierenden Verteilmechanismus, damit die aufnahmebereiten Städte in ganz Europa zum Zuge kommen könnten. Derzeit seien die Zustände an den EU-Außengrenzen "empörend", etwa die sogenannten Pushbacks an der bosnisch-kroatischen Grenze.
Kirche stehe an Seite der Bedrängten
Bode erinnerte an die "Willkommenskultur", die zwischen 2014 und 2016 "maßgeblich durch Beiträge aus Raum der Kirchen" ermöglicht worden sei. Die Kirchen wüssten um ihre bleibende Verantwortung, auch was die langfristige Herausforderung der Integration betreffe, so der Osnabrücker Bischof. In dem ökumenischen Papier heißt es, in einer modernen Gesellschaft bedeute Integration, "einen positiven Umgang mit Pluralität, Diversität und Wandel zu finden".
Während man über politische Versäumnisse offen debattieren müsse, sei jeder Form von Rassismus entgegenzutreten, betonen die Kirchen. "Der Anstieg rechtsextremer Gewalttaten stellt eine Bedrohung für die offene Gesellschaft dar." Bode erklärte, die Kirchen stünden an der Seite aller, die wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Weltanschauung bedrängt oder verletzt würden. (mfi/KNA)