Ex-Dombaumeisterin: So hilft Deutschland beim Notre-Dame-Wiederaufbau
Rund zweieinhalb Jahre nach dem Brand in Notre-Dame in Paris beginnen die Restaurierungsarbeiten an der weltberühmten Kathedrale. Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner (74) koordiniert die deutschen Hilfen beim Wiederaufbau. Anfang dieser Woche war sie in Frankreich, um mit den dortigen Verantwortlichen über die vier Fenster zu sprechen, die von der Kölner Dombauhütte wieder instandgesetzt werden. Im Interview berichtet sie in Köln über Bleistaub auf den Scheiben, den Rekord-Ausbau der Fenster und die anstehenden Arbeiten für die Fachleute der Glaswerkstatt.
Frage: Frau Schock-Werner, in welchem Zustand sind die Kirchenfenster, die Sie angeschaut haben?
Schock-Werner: Der Zustand ist an sich nicht so schlecht. Die Fenster sind aus den 1960er Jahren. Der Künstler hat sie selbst bemalt. Die Motive sind abstrakt, aber sehr aufwendig gearbeitet. Die Fenster sind im Laufe der Zeit schon sehr stark verschmutzt und jetzt durch Bleistaub belegt, der durch den Brand aufgekommen ist. Es gibt natürlich einige Sprünge. Zudem mussten die Fenster in Rekordzeit ausgebaut werden. Deshalb kann da schon der eine oder andere leichte Schaden entstanden sein.
Frage: Wieso mussten die Fenster so schnell ausgebaut werden?
Schock-Werner: Nach dem Brand war das Hauptbemühen des Architekten Philippe Villeneuve, den Bau zu stabilisieren. Dazu hat er fast alle Obergadenfenster – also die oberen Fenster im Mittelschiff – ausbauen lassen, um die Fensteröffnungen mit Holzkonstruktionen zu füllen und das ganze Gefüge zu festigen. Das Glas wurde also zügig ausgebaut und in Kisten gelagert. Die Fenster sind immer noch in den Kisten – mit der Bleistaubauflage. So werden wir sie auch bekommen.
Frage: Ist das nicht gefährlich für die Mitarbeitenden der Kölner Dombauhütte?
Schock-Werner: Wir werden die Kisten außerhalb der Glaswerkstatt öffnen und dekontaminieren, damit wir den Bleistaub nicht in den Räumen haben. Die Franzosen nehmen das Thema sehr ernst, und natürlich müssen die Restauratoren mit einem Mundschutz arbeiten – vielleicht sogar mit besonderen Unterdruckatemmasken. Aber dann sollte eigentlich keine Gefahr bestehen.
Frage: Was müssen die Restauratorinnen und Restauratoren dann machen?
Schock-Werner: Wir restaurieren vier Fenster mit insgesamt rund 300 Einzelscheiben. Jede dieser Scheiben muss begutachtet, gesäubert und notfalls repariert werden. Dann müssen wir noch einmal nach Paris fahren und die wahren Maße der Fugen nehmen, in die diese Scheiben gehören. Die sind nämlich zum Teil mit Mörtel ausgebessert. Am Ende passen wir die Scheiben wieder ein.
Frage: Wieso erledigt diese Arbeiten die Kölner Dombauhütte? In Frankreich gäbe es doch sicherlich auch geeignete Spezialisten.
Schock-Werner: Wir machen ja auch nicht alles. Die Restaurierung der restlichen rund 20 Fenster aus Notre-Dame wird europaweit ausgeschrieben. Das, was wir machen, ist sozusagen ein Geschenk an Frankreich. Der deutsche Beitrag zum Wiederaufbau von Notre-Dame sollte ja mehr sein als nur eine Unterschrift auf einer Überweisung. Es war meine Aufgabe, einen sinnvollen Beitrag zu finden, von dem man nachher sagen kann: Das haben die deutschen Spender finanziert. Die Glasfenster schienen mir ideal, weil sie schon ausgebaut waren und in Deutschland restauriert werden können.
Frage: Der Brand in Notre-Dame hat viele Menschen schockiert. Wie ist die Stimmung heute bei den Menschen in Paris?
Schock-Werner: Wir haben während unseres Besuchs gar nicht mit vielen Parisern gesprochen, sondern eher mit denjenigen, die am Wiederaufbau beteiligt sind. Das ist eine Wahnsinnsaufgabe – sowohl technisch als auch organisatorisch. An der Baustelle arbeiten bis zu 500 Leute, und es kommt der Zeitdruck dazu, denn die Arbeiten sollen im Frühjahr 2024 abgeschlossen sein. Darüber ist nicht jeder glücklich.
Frage: Und wie sieht der Zeitplan für die Fenster aus?
Schock-Werner: Die Fenster sollen im Januar nach Köln kommen und im Mai 2023 wieder in Notre-Dame eingebaut werden.