Der Argentinier im Papst
Viggo Mortensen, Jahrgang 1958, verbrachte seine Kindheit in Argentinien, Venezuela und Skandinavien. Seine fußballerische Liebe blieb jedoch in Argentinien - so sehr, dass er dem neuen "Gasometer-Stadion" im Papst-Stadtteil Flores eine Kapelle auf dem Vereinsgelände spendierte. Geweiht wurde sie von Kardinal Jorge Mario Bergoglio, nachmals Papst Franziskus.
Erst der Fußball, dann die Theologie
Auch Bergoglio selbst, Jahrgang 1936, ist schon ewig Anhänger des Stadtclubs San Lorenzo, der 1908 von einem Salesianerpater gegründet wurde. Seit dem 100. Vereinsjubiläum im Jahr 2008 ist der Papst Ehrenmitglied. Grundstein dieser unverbrüchlichen Liebe war das Meisterjahr 1946 - und ein Stadionbesuch mit seiner Familie. Bis heute zahlt "Mitglied 88235" per Einzugsermächtigung seine Beiträge, wie Clubvize Marcelo Tinell versichert.
Für Franziskus ist die Frage, wie das Runde ins Eckige gelangen kann, also kein bloßes ontologisches Problem. Er hat das Straßenkicken noch vor der Theologie gelernt: an der Membrillar Nummer 531, seinem Geburtshaus. Der Straßenzug in Flores im Herzen von Buenos Aires ist heute die erste Station der sogenannten päpstlichen Stadtführung.
Jeden Nachmittag wird gekickt
Der Musiker Mario Valdez, der 1948 gemeinsam mit Jorge Bergoglio die fünfte Klasse besuchte, erzählt: "Rechts, an der Ecke, wo heute ein kleiner Spielplatz ist, da hat der Papst als kleiner Junge jeden Nachmittag gekickt. Literatur und Fußball, das waren seine Leidenschaften - in der Reihenfolge." Dabei behauptet ein weiterer Schulfreund, Nestor Carabajo, der kleine Jorge sei nie ein begnadeter Techniker gewesen, aber dafür schon damals ein Taktiker vor dem Herrn. Oft habe er die Mannschaften aufgestellt und die Marschrichtung vorgegeben.
Dass der Argentinier Bergoglio eher seinen Landsleuten die Daumen drücken wird als den Italienern, Deutschen oder Brasilianern, liegt auf der Hand. Dennoch: Wie weit darf eine Indienstnahme des Papstes für die runde Sache gehen? Da gibt es etwa den Wallfahrtsleiter von Tilcara im Norden Argentiniens, Felix Perez, der Franziskus überreden wollte, die Nationalmannschaft zu einer Pilgerfahrt zu bewegen, um deren Pechsträhne seit dem WM-Titel 1986 zu beenden.
Kredit verspielt
Damals hätten Diego Maradona und sein Team vor dem Turnier die heilige Jungfrau von Tilcara besucht und eine Rückkehr versprochen, falls sie den Pokal gewinnen sollten, berichtete Perez. Argentinien schlug Deutschland im Finale 3:2 - doch die Mannschaft erfüllte nicht ihr Gelübde. Seitdem blieb sie 27 Jahre ohne WM-Titel. "Das ist wie eine Bank Gottes. Wenn du nicht bezahlst, kriegst du keinen Kredit mehr", meinte Perez. Ob die Nationalelf mittlerweile reuig in Tilcara vorgesprochen hat, ist nicht überliefert.
Eine Woche vor Beginn des Turniers wartet die Welt nun auf den Anstoß - ein bisschen aber auch auf die Friedensbotschaft von Franziskus zur WM, die Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff im Vorfeld angekündigt hatte. Außerdem soll im Namen des Papstes beim Eröffnungsspiel in Sao Paulo eine Friedenstaube in den brasilianischen Himmel steigen. Eigentlich wollte Franziskus ja einen Olivenbaum an den Spielfeldrand pflanzen lassen - aber so viel Sinn für Regeln und ihre Einhaltung hatte Fifa-Präsident Sepp Blatter dann doch; er lotste den Papst bei seinem Vatikanbesuch auf die Taube um.
Weltmeister im Grillen
Auf geht's also mit einem Monat voller WM-Abende . Wer dabei gern ein schönes Steak genießt, der kann sich gleich doppelt auf päpstlicher Spur wähnen: Nicht nur, dass Bergoglios Club San Lorenzo als Namenspatron den heiligen Laurentius hat, der laut einer Legende im Jahr 258 in Rom auf dem Rost endete. Auch so sind die Argentinier die unbestrittenen Weltmeister - zumindest im Grillen (spanisch "Asado").
Von Alexander Brüggemann (KNA)