Theologin Strube: Begriffe wie "Gender-Ideologie" in Kirche tabu
Für die Theologin Sonja Angelika Strube sind genderfeindliche Ausdrücke in der kirchlichen Diskussion tabu. Begriffe wie "Gender-Ideologie", "Genderismus" oder "Gender-Lobby" gäben das Thema der Debatte nicht korrekt wieder, würden Vorurteile schüren und Gewalt legitimieren, schrieb die Theologin am Dienstag in einem Beitrag auf dem theologischen Online-Portal "feinschwarz.net". Eine kontroverse theologische Diskussion zu Themen der Sexualmoral sei keinesfalls verboten, gebiete aber "sachliche Debatten, differenzierende Argumentationen, angemessene Wortwahl und viel mehr noch: einfühlsames Einander-Zuhören", so Strube. Die Kirche dürfe sich durch ihre Sprache nicht am Schüren von Hass und an der Abwertung von Menschen beteiligen.
Strube rekurriert in ihrem Text auf aktuelle Studien, die eine abwertende Rhetorik in der Gender-Debatte als "Gespensterdebatte" und "Strohmanntaktik" entlarven würden. Es sei zudem bekannt, dass Protagonisten des rechten politischen Spektrums bewusst Desinformationen zu dem Thema streuen würden, um Vernetzung in das christliche Milieu zu erhalten. Strategisches Kernelement dieses rechten Anti-Gender-Aktivismus sei es, an negative Einstellungen in der Bevölkerung anzudocken und dabei Angst und Wut zu aktivieren.
Versuch der Selbstverharmlosung rechter Gruppierungen
Die Vielzahl unterschiedlicher Themenfelder in der wissenschaftlichen Gender-Debatte würde zu einem einheitlichen Feindbild verwischt, dem man ein "konzertiertes, ebenso machtvolles wie intransparent-konspiratives Weben an einer 'totalitären Neuen Weltordnung' unterstellt", so Strube. Auf diese Weise würden sich rechte Gruppierungen als "harmlos-konservative, friedfertige Familien- und Lebensschützer" geben, um emotionale Barrieren im demokratisch gesinnten Teil der Bevölkerung abzubauen. Tatsächlich bediene die Rhetorik jedoch antisemitische Ressentiments und Verschwörungsmentalitäten, schreibt die Theologin.
Strube ist Privatdozentin im Bereich Praktische Theologie am Institut für Katholische Theologie der Uni Osnabrück und forscht schwerpunktmäßig zum Schnittfeld zwischen religiösem Fundamentalismus und rechtsextremen Tendenzen in christlichen Milieus sowie zum Anti-Gender-Aktivismus. Bereits früher hatte sie eine unwissenschaftliche Übernahme genderfeindlicher Begriffe in kirchlichen Dokumenten kritisiert. Während etwa ein 2019 veröffentlichtes Dokument des Vatikans die Genderforschung durchgängig mit Ideologie gleichsetzt, findet sich in den Äußerungen einzelner Bischöfe und in pastoralen Handreichungen inzwischen ein differenzierterer Umgang mit dem Thema. (mfi)