Entwürfe für Innengestaltung von Notre-Dame sorgen für Aufregung
Am kommenden Donnerstag (9. Dezember) will das Pariser Erzbistum der Nationalen Denkmal- und Architekturkommission (CNPA) seine Pläne für die neue Innengestaltung der ausgebrannten Kathedrale Notre-Dame vorstellen. Schon im Vorfeld ist, wenn nicht Feuer unterm Dach, so doch einige Aufregung. Kritiker sprechen von einem unwürdigen "Disneyland-Erlebnisparcours".
Die Welt hielt den Atem an, als am Abend des 15. April 2019 die Dächer von Notre-Dame in Flammen standen und der Turm über der Vierung einstürzten. Erst in diesem Sommer konnte die Sicherung des Gebäudes abgeschlossen werden und die eigentliche Restaurierung beginnen. Ein Konzept für die Innengestaltung steht nun auch; schließlich ist ein solch radikaler Einschnitt eine gute Gelegenheit, einiges an der Nutzung den Bedürfnissen der Gegenwart anzupassen.
Schon im Juni 2019 erhielt Gilles Drouin, Liturgieexperte am Institut Catholique in Paris, den Auftrag, Vorschläge für eine neue Innenarchitektur auszuarbeiten. Seinen Fokus legte er auf die Funktionalität für den Gottesdienst, Aufnahme (und Empfang) für normalerweise Millionen Besucher jährlich sowie auf die Präsentation der Kunstwerke in der Kathedrale.
Kein Konzertsaal
Drouin holte sich Expertise von Architekten, Künstlern, Licht- und Tonspezialisten. "Jeder Schritt" sei mit Erzbischof Michel Aupetit abgestimmt, sagte er der Zeitung "La Croix". Das Kirchenschiff habe man in erster Linie als liturgischen Raum und nicht als Konzert- oder "Aufführungssaal" behandelt; und auch der Chor werde "keine Theaterbühne". Vorgesehen sind demnach eine Taufkapelle am Eingang der Bischofskirche sowie eine indirekte Beleuchtung, die die Längsachse der Kathedrale betone, von der Taufkapelle bis zum Altarkreuz, das dem Feuer standgehalten hat.
"Der Empfang von Touristen war bislang logistisch wie seelsorglich unzureichend", meint der Liturgiewissenschaftler. Besucher betraten die Kirche durch das Südportal – entgegen der mittelalterlichen Logik, die den Menschen vom Schatten ins Licht hineinführt. Künftig soll das Gotteshaus durch das Mittelportal betreten werden.
Entstehen soll künftig auch ein religiöser Parcours – "keine Bildungsroute", wie Drouin betont, sondern ein "Angebot, durch das Erlebnis von Schönheit" die Grundlagen des Christentums kennenlernen zu können. Dabei wolle man auf bestehende Kunstwerke zurückgreifen, etwa die prächtigen Chorschranken aus dem 14. Jahrhundert oder historische Gemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts. Als "Echo" dazu sollen zeitgenössische Werke in Auftrag gegeben werden.
"Politisch korrektes Disneyland"
Der Liturgiewissenschaftler sieht auch eine Videoprojektion oder Einblendung von Bibelzitaten in verschiedenen Sprachen vor, die das Erlebnis der Besucher "vertiefen" könnten. Diese Themenroute durch Notre-Dame soll vor allem durch gut ein Dutzend Seitenkapellen führen. Sie wurden von dem berühmten Restaurator Eugene Viollet-le-Duc (1814-1879) nach der Französischen Revolution nüchtern gestaltet; einer Periode, in der sich Steinsichtigkeit statt Ausmalung durchsetzte. Diese Kapellen wurden später zumeist vernachlässigt und zuweilen mit schlecht beleuchteten Gemälden überladen; ein dunkles Sammelsurium.
Seit französische Medien erste Skizzen und Ideen veröffentlichten, wurden allerdings kritische bis entsetzte Stimmen laut. Von einem "politisch korrekten Disneyland" war die Rede. Beichtstühle und Altäre müssten Sound- und Lichteffekten weichen; "Themen-Kapellen" etwa zu Umweltfragen träten an ihre Stelle. Der Pariser Architekt Maurice Culot etwa sagte dem "Daily Telegraph", ein solcher experimenteller Erlebnispfad sei für eine so erhabene Stätte wie Notre-Dame "kindisch und trivial". Für Westminster Abbey oder die Sixtinische Kapelle käme so etwas niemals in Frage.
Ein wichtiger Tag für Notre-Dame
Projektleiter Drouin stellte im "La Croix"-Gespräch klar, es seien auch vorläufige, inzwischen völlig veraltete Entwürfe in Umlauf gebracht worden und hätten unnötige Befürchtungen befeuert. So habe man nie wirklich in Betracht gezogen, wie kolportiert Seitenkapellen mit zeitgenössischen Fresken auszumalen.
So oder so müssen am Ende ohnehin alle Pläne auch vom Kulturministerium abgesegnet werden; schließlich ist der Staat seit der Revolution Besitzer aller kirchlichen Bestandsbauten vor 1789. Ministerin Roselyne Bachelot vertritt die Auffassung, die restaurierte Kathedrale solle exakt so aussehen wie vor dem Brand. Allemal sind die Antennen der Interessierten weit ausgefahren. Der 9. Dezember könnte ein wichtiger Tag für die jüngere Geschichte von Notre-Dame werden.