Papst Franziskus prangert in Griechenland Umgang mit Migranten an
Mit deutlichen Worten hat Papst Franziskus am zweiten Tag seines Griechenland-Besuchs den Umgang mit Migranten angeprangert. In einem Flüchtlingslager auf der Mittelmeerinsel Lesbos warf das sichtlich bewegte Kirchenoberhaupt am Sonntag der Weltgemeinschaft vor, das Elend und die Hilflosigkeit von Migranten zu ignorieren. "Ich bitte euch, lasst uns diesen Schiffbruch der Zivilisation stoppen", so der Papst. "Lasst uns die lähmende Angst überwinden, die todbringende Gleichgültigkeit, das zynische Desinteresse, das in Samthandschuhen die am Rand Stehenden zum Tode verurteilt!"
Es war nach 2016 der zweite Besuch von Papst Franziskus auf Lesbos. Damals hatte er zusammen mit dem ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem griechisch-orthodoxen Erzbischof Hieronymos II. das seinerzeit größte Flüchtlingslager Europas Moria besucht, wo bis zu 20.000 Menschen lebten. Das Lager brannte im Herbst 2020 ab. Diesmal suchte Franziskus in Begleitung der griechischen Präsidentin Katerina Sakellaropoulou die Nachfolgeeinrichtung auf, das "Aufnahme- und Registrierungszentrum" in Mytilini. Dort leben aktuell rund 2.500 Menschen bei einer Gesamtkapazität von etwa 8.000 Plätzen.
Der Papst würdigte die Aufnahme von Flüchtlingen in Griechenland. Zugleich ging er hart mit der EU ins Gericht. Es gebe in Europa immer noch Menschen, "die so tun, als ginge sie dieses Problem nichts an". Immer noch gebe es Hotspots, wo Migranten und Flüchtlinge unter grenzwertigen Umständen lebten, ohne dass sich für sie eine Lösung abzeichne. "Es ist traurig, wenn als Lösung vorgeschlagen wird, mit gemeinsamen Ressourcen Mauern zu bauen, Stacheldrahtzäune zu bauen", so Franziskus. "Wir leben in der Epoche des Stacheldrahts." Das Mittelmeer, die "Wiege zahlreicher Zivilisationen", werde zum "kalten Friedhof ohne Grabsteine" und einem "Spiegel des Todes".
Kalter Friedhof ohne Grabsteine
Präsidentin Sakellaropoulou dankte dem Papst für seinen Besuch. Die Lage habe sich im Vergleich zu 2016 gebessert, aber noch immer bleibe das Problem der Migration ungelöst. Der Erzbischof von Naxos, Andros, Tinos und Mykonos, Josif Printezis, beklagte, dass die Menschen auf Lesbos eine "unverhältnismäßig große Last" trügen.
Papst Franziskus nahm sich bei seinem Kurzaufenthalt auf Lesbos viel Zeit, um vor allem im Lager lebende Kinder zu begrüßen. Nach seiner Ansprache besuchte er noch einige Wohncontainer von Geflüchteten. Anschließend kehrte Franziskus nach Athen zurück, um dort am Nachmittag einen Gottesdienst zu feiern.
Dabei ermutigte er die Teilnehmer zu mehr Gottvertrauen. "Es gibt keinen Ort, den Gott nicht besuchen möchte." Gott wende seinen Blick auch immer dorthin, wo Traurigkeit herrsche, sagte das Kirchenoberhaupt in der Megaron Konzerthalle in Athen. Wegen der Corona-Pandemie blieben viele der 2.000 Plätze leer. Für den Abend war eine neuerliche Begegnung mit Erzbischof Hieronymos II. geplant, den er bereits am Samstag getroffen hatte. (KNA)