Vatikan-Krippe aus Peru – Großer Wurf oder neuer Skandal?
Dass sich an der vatikanischen Krippe die Geister scheiden, gehört beinahe zur Weihnachtstradition. Immer wieder versuchten es die Initiatoren in den vergangenen Jahren mit unkonventionellen, experimentellen Inszenierungen. Ebenso oft rümpften konservative Kommentatoren die Nase. Diesmal allerdings ist es den Verantwortlichen gelungen, Tradition und frische Elemente einigermaßen stimmig miteinander zu verknüpfen.
Die neue Krippe auf dem Petersplatz, die aus der indigenen Chopcca-Gemeinde in den peruanischen Anden stammt, soll die Vielfalt der Weltkirche widerspiegeln. Wer sich in der Region Huancavelica auskennt, weiß: Das nun vorgestellte Gebilde ist kein aufgesetzter Multikulti-Kitsch, sondern entspricht wirklich den dortigen Gepflogenheiten und Gebräuchen.
Dargestellt ist eine Art Querschnitt durch den Alltag der Andenvölker. Im Mittelpunkt der Szenerie steht eine monumentale Brücke, die symbolhaft das einfache, dörfliche Leben der Ureinwohner mit Jesus Christus verbindet. Der Vatikan sieht darin einen "universellen Aufruf zur Erlösung", der sich an jeden Menschen richte – gleich welcher Sprache, Kultur oder Nation.
Typische Chopcca-Gewänder für Protagonisten
Jesuskind, Maria und Josef sowie die Heiligen Drei Könige und die Hirten sind in Lebensgröße aus Keramik, Holz und Glasfaserkunststoff gefertigt. Sie tragen typische, vorwiegend in Schwarz gehaltene Chopcca-Gewänder mit bunten Ornamenten. Das Christkind ist in ein "Hilipuska"-Outfit gehüllt, das aus einer Huancavelica-Decke und einem geflochtenen Baby-Strampler besteht. Dazu sind ringsherum Tierfiguren aufgebaut, die der örtlichen Fauna entsprechen – Alpakas, Schafe, Vicunas und ein über der Kulisse thronender Kondor mit ausgebreiteten Flügeln.
Urheber der aus 30 Teilen bestehenden Andenkrippe sind fünf Künstler aus Peru. Am Zustandekommen des Projekts waren indes wesentlich mehr Akteure beteiligt: neben dem Vatikan die Peruanische Bischofskonferenz, die Diözese Huancavelica sowie die peruanische Regierung. Anlass ist unter anderem das Erlangen der Unabhängigkeit Perus von Spanien vor 200 Jahren.
Aber auch die besondere Nähe von Papst Franziskus zu den indigenen Völkern Südamerikas dürfte eine Rolle gespielt haben. Der Argentinier setzt sich seit Jahren für den Schutz der Indios ein und lobt ihren naturverbundenen Lebensstil als vorbildhaft. Mit der Auswahl der Krippe rückt er sie erneut in den Fokus der Öffentlichkeit.
Etliche Beobachter hätten sich freilich eine konventionellere, europäischere Interpretation der Weihnachtsszene gewünscht. Bei einer Vorab-Präsentation für die Presse fiel die Resonanz dennoch überwiegend positiv aus. Nicht wenige Vaticanisti empfinden die aktuelle Krippe nach den teils verstörenden Exemplaren der Vorjahre tatsächlich als "Erlösung".
2020 erntete der Vatikan statt Wohlwollen und Zuspruch Häme und beißende Kritik. "Das ist absolut grauenvoll", schrieb der britische Journalist und Historiker Tim Stanley über die damalige Darstellung. Andere bemerkten stilistische Ähnlichkeiten zu den Science-Fiction-Filmen "Robot Monster" und "Star Wars". Liebhaber erbaulicher Advents-Ästhetik reagierten erschrocken auf eine finster dreinblickende Skulptur mit Darth-Vader-Helm.
Es war nicht das erste Mal, dass die Meinungen über die Vatikan-Krippe auseinandergingen. Gemischt fiel die Resonanz bereits im Jahr 2016 aus. Damals wurde ein Migrantenboot in die Szene mit eingebettet. Es erinnere an die "tragische Realität der Flüchtlinge, die sich in Booten Richtung Italien aufmachen", erläuterte Franziskus. Nicht jeder hielt das für angemessen.
Vermeintlich homoerotische Aufmachung
2017 folgte die aufgeregte Debatte über eine vermeintlich gezielt homoerotische Aufmachung. Die Statue eines nackten Mannes, dem als Werk der Barmherzigkeit Kleider geschenkt wurden, sorgte international für Schlagzeilen. Einige Stimmen störten sich an der "sexuell suggestiven" Pose des erstaunlich muskulösen Bettlers. Traditionalistische Blogs witterten eine "Verschwörung schwuler Aktivisten".
Die bisher gewagteste Variante gab es im Jahr 2018 zu bestaunen: Vier Künstler aus den USA, Russland, den Niederlanden und der Tschechischen Republik formten die Geburtsszene von Bethlehem aus 1.300 Kubikmetern Sand. Der Winter in Rom setzte dem Kunstwerk jedoch ziemlich zu, sodass es nach einigen Tagen deutliche Witterungsspuren aufwies.
Nicht zuletzt in dieser Hinsicht hat die aus soliden Materialien gefertigte Andenausgabe deutliche Vorteile. Obwohl für die feierliche Eröffnungszeremonie an diesem Freitagabend heftige Regenschauer erwartet werden, muss sich niemand über die Unversehrtheit des Figurenensembles Sorgen machen. Zusammen mit dem vatikanischen Weihnachtsbaum wird die Krippe bis zum 9. Januar auf dem Petersplatz zu sehen sein.