Umfrage: Bindung der Deutschen an Christentum nimmt immer mehr ab
Die Bindung der Menschen in Deutschland an das Christentum nimmt ab. Das geht aus einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hervor. Wie die Zeitung in ihrer Mittwochsausgabe berichtet, bezeichnen sich derzeit 28 Prozent der Bevölkerung als Mitglied der evangelischen Kirche, 25 Prozent als Katholiken. Noch 1995 hätten 37 Prozent eine Mitgliedschaft in der evangelischen, 36 Prozent in der katholischen Kirche angegeben.
Der Abwärtstrend habe sich in den vergangenen Jahren beschleunigt, hieß es weiter. "Es könnte deshalb sein, dass in Deutschland 2021 das letzte Weihnachtsfest mit einer Bevölkerungsmehrheit ist, die einer der beiden großen Kirchen angehört." Laut Umfrage sagen trotzdem immer noch 70 Prozent der Bevölkerung, dass das Christentum zu Deutschland gehöre. 86 Prozent der Katholiken, 82 Prozent der Protestanten und auch 55 Prozent der Konfessionslosen sind dieser Meinung. Die Ablehnung der These, wonach auch der Islam mittlerweile zu Deutschland gehöre, bleibe dagegen stabil. Dies sähen nur 17 Prozent der Bevölkerung so. In dieser Frage gebe es so gut wie keine Unterschiede zwischen Katholiken, Protestanten und Konfessionslosen.
Die Frage, ob Kirche heute noch wichtig sei, bejahen für die katholische Kirche 38 Prozent, für die evangelische 40 Prozent. Am höchsten ist demnach die Zustimmung unter den über 60-Jährigen mit 49 (katholisch) und 48 (evangelisch) Prozent, am niedrigsten in der Altersgruppe von 16 bis 29 Jahren mit 30 (katholisch) und 29 (evangelisch) Prozent. Wenn nach konkreten Glaubensinhalten gefragt werde, überwiege die Skepsis, berichtet die Zeitung. Da aus der Zeit vor 1989 Vergleichswerte aus der DDR fehlen, wurden den Angaben zufolge nur Werte für Westdeutschland verglichen. Sagten 1986 noch 56 Prozent der Westdeutschen, sie glaubten, Jesus sei Gottes Sohn, so glauben dies heute noch 37 Prozent. 27 Prozent glauben an die Dreifaltigkeit. 1986 sagten das 39 Prozent. Von 38 auf 24 Prozent schließlich ist der Glaube an die Auferstehung von den Toten gesunken.
Historiker: Einfluss der Kirchen sinkt – Misstrauen wächst
Der Hamburger Historiker Thomas Großbölting rechnet angesichts der Zahlen mit einem stark sinkenden Einfluss der Kirchen in Politik und Gesellschaft. Die in der Geschichte der Bundesrepublik traditionell sehr enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche werde immer brüchiger, sagte der Professor für Neuere und Neueste Geschichte in Hamburg am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Als Gründe nannte er die sinkende Zahl von Christen in Deutschland, den zunehmenden Anteil Konfessionsloser und eine wachsende religiöse Pluralität unter anderem durch den Islam.
Großbölting, der 2013 unter dem Titel "Der verlorene Himmel" ein Buch zur Geschichte des Christentums in Deutschland seit 1945 veröffentlicht hatte, verwies auch auf Konsequenzen des Missbrauchsskandals. Das moralische Kapital, das den christlichen Religionsgemeinschaften auch von Nichtgläubigen lange zugeschrieben worden sei, werde zunehmend durch Distanz, gelegentlich sogar von grundsätzlichem Misstrauen ersetzt. Auch Politiker, die von der Nähe zu den Kirchen lange profitiert hätten, gingen mittlerweile zunehmend auf Distanz.
Laut der jüngsten Statistik der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) war die Kirchenaustrittszahl in Deutschland im Jahr 2020 mit 221.390 die zweithöchste aller Zeiten, nur im Vorjahr lag sie höher (272.771). Aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) waren 2020 ebenfalls etwa 220.000 Menschen ausgetreten. (tmg/KNA)
22.12., 14:55 Uhr: Ergänzt um Großbölting.