Bischof Dieser fordert "Schuldbekenntnis" gegenüber Homosexuellen
Der Aachener Bischof Helmut Dieser dringt auf einen anderen Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen. "Homosexuelle wurden auch durch die Kirche abgewertet und kriminalisiert. Hier ist auch ein Schuldbekenntnis fällig", sagte er der "Kölnischen Rundschau" (Montag). Und weiter: "Daran arbeiten wir." Viele Menschen fühlten sich wegen ihrer Orientierung ausgegrenzt und diskriminiert, mahnte Dieser. "Nun sagen wir: Die sexuelle Orientierung ist eine Gabe Gottes. Sie ist nicht zu hinterfragen, sondern sie muss in die Nachfolge Gottes geführt werden."
Bislang betrachte er die Segnung homosexueller Partnerschaften als "Gewissensfrage der einzelnen Seelsorger", erklärte der Bischof. "Ich möchte aber weiterkommen und eine Grundlage haben, auf der ich das in unserem Bistum für möglich erklären kann." Ein Beschluss des Reformprozesses Synodaler Weg mit Zwei-Drittel-Mehrheit könnte dies ermöglichen, auch wenn dies natürlich in Rom vorlegt werden müsse. Umgekehrt könne Rom "nicht so tun, als sei ein solcher Beschluss nichts". Er hoffe zudem, dass die deutschen Katholiken entsprechende Beschlüsse in den weltweiten synodalen Prozess einbringen können, den Papst Franziskus ausgerufen hat. Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation haben sich am Montag rund 125 queere Menschen in der katholischen Kirche geoutet, die nach eigenen Angaben haupt- und ehrenamtlich in kirchlichen Einrichtungen beschäftigt sind. Im Film zur Initiative "#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst" kommt auch Dieser als einziger der 27 deutschen Bischöfe zu Wort.
"Wenn nichts geschieht, sind wir endgültig weg"
Zu Warnungen vor Spaltungstendenzen unter den Bischöfen, wie sie unter anderem der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ausgesprochen hatte, sagte Dieser: "Das Wort wird am liebsten von denjenigen verwendet, die etwas verhindern oder aber unbedingt durchsetzen wollen und nicht bereit sind, mit der Mehrheit der Bischöfe mitzugehen." Und weiter: "Die Spaltung könnten wir auch bekommen, wenn wir nichts tun. Wenn nichts geschieht, sind wir endgültig weg."
In der Debatte um Konsequenzen aus dem Münchner Missbrauchsgutachten rief Dieser die Bistümer dazu auf, die Aufarbeitung "klug und mutig" anzugehen. Die Bischofskonferenz müsse darüber nachdenken, "ob wir nicht so weit kommen, dass alle Bistümer in einem bestimmten Zeitfenster diesen Aufarbeitungsprozess grundsätzlich angehen". Auch müsse die Kirche lernen, "dass das bischöfliche Amt nicht vor Fehleinschätzungen und vor irrtümlichem Handeln gefeit ist". Dies zu bekennen, sei keine Schande. "Jeder, auch ein ehemaliger Papst, wird an einen Punkt kommen, an dem er sagen muss: Ich habe heute eine andere Sicht als damals und bedaure, dass ich damals so gehandelt habe und nicht anders." Dieser hatte sich bereits am Sonntag im Aachener Dom zum Gutachten geäußert und dabei zur Übernahme von Verantwortung aufgerufen sowie gefordert, dass sich auch der frühere Papst Benedikt XVI. noch einmal zu den Vorwürfen verhalten solle.
Kritik übte Dieser an Überlegungen zu Sterbehilfe und Abtreibung der Ampel-Regierung. Die Kirchen verträten "humane Werte, die niemand missen möchte", betonte er: "Bleibt das menschliche Leben unantastbar? Oder geraten wir alle irgendwann in die Situation, in der man alte Menschen unter Druck setzt, es wäre besser, wenn sie jetzt gehen?" Im Hinblick auf gewerbliche Suizidbeihilfe könne eine solche Situation schnell entstehen. Im Hinblick auf Abtreibung gebe es "Sprachverbote" und "Stimmen, die uns weismachen wollen, das Kippen des bisherigen Rechts sei im Sinne des Humanums". Dieser: "Da will man uns ein X für ein U vormachen, und hier müssen die Kirchen prophetisch sein." (tmg/KNA)