US-Bischöfe können sich Einfluss von Franziskus nicht entziehen

Umdenken an der Madison Avenue

Veröffentlicht am 19.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
USA

New York ‐ Kardinal Timothy Dolan wohnt in einem Haus aus dem 19. Jahrhundert an der Madison Avenue in New York. Direkt daneben steht die St. Patrick's Kathedrale. Für das Wohl des Kardinals und drei weiterer Priester sorgen ein Koch und zwei Hausangestellte. Ein Fahrer chauffiert Dolan in einem Chrysler Minivan. Der eloquente Kardinal ist bekannt in seiner Diözese, den New Yorker Stadtgebieten Bronx, Manhattan, Staten Island sowie den weiteren sieben Bezirken nördlich der Stadt.

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Vor Ort, so sagen manche Priester, ist er jedoch eher selten. Dolan delegiert, für die meisten Alltagsfragen ist sein Vikar zuständig. Die Entscheidung fällt er am Ende freilich immer selbst.

Keiner ist arm in der Madison Avenue

Der 64-jährige Kardinal von New York ist beliebt und wird geachtet. Als nach dem Abgang von Benedikt XVI. im März 2013 ein neuer Papst gesucht wurde, fiel auch der Name des US-Amerikaners. Doch nun sitzt der Argentinier Jorge Mario Bergoglio auf dem Heiligen Stuhl. Der heilige Franziskus sei ein Mann der Armut gewesen, sagt der Papst. Und weil eine arme Kirche für Arme anzustreben sei, habe er diesen Namen für sich gewählt.

Das Bild zeigt sich Kirche und daneben einige Hochhäuser.
Bild: ©picture-alliance/chromorange/R.Tscherwitschke

Die St.-Patricks-Kathedrale in New York.

So richtig arm ist auf der Madison Avenue niemand. Auch nicht der Kardinal. Bislang hatte das allerdings niemanden gestört. Erst seit Franziskus über Bescheidenheit predigt, zweifeln viele Katholiken in den USA, ob ihre Kirchenführer nicht einen zu glamourösen Lebensstil pflegen.

So ließ sich etwa der Erzbischof von Atlanta, Wilton Gregory, ein neues Anwesen für 2,2 Millionen Dollar einrichten. Doch lange wohnte er nicht darin. Nach nur wenigen Monaten und unzähligen erbosten Anrufen, Briefen und E-Mails wollte er das Haus wieder verkaufen. Gregory entschuldigte sich. Er habe die Auswirkungen auf die Kirchgänger außer Acht gelassen, die Jahr für Jahr mit Spenden das Bistum unterstützten, obwohl sie oft selbst nicht wüssten, wie sie ihre Mieten und Stromrechnungen bezahlen sollten.

„Der Papst hat mich inspiriert, nach Wegen zu suchen, wie wir einladender wirken können, mehr fokussiert auf jene, die sich von Jesus und der Kirche entfernt haben“

—  Zitat: Kardinal Timothy Dolan, Erzbischof von New York

In Newark protestierten die Katholiken gegen Pläne von Erzbischof John Myers, sich ein Wochenendhaus mit Pool und Feuerstelle bauen zu lassen. In Camden, eine der kriminellsten Städte der USA, sorgte Bischof Dennis Sullivan für Unmut. Er hatte sich ein Haus für 500.000 Dollar gekauft. Und im Bundesstaat West Virginia verlangten die Katholiken gar Einsicht in die nach ihrer Meinung exzessiven Ausgaben des Bistums.

New Yorks Kardinal Dolan will in seiner Residenz auf der Madison Avenue wohnen bleiben. Franziskus habe ihn jedoch inspiriert zu prüfen, ob sich die Diözese in der Vergangenheit womöglich zu sehr auf ihre Gebäude, Institutionen und Hierarchien konzentriert habe - auf Kosten der Menschen, denen sie eigentlich dienen soll. "Ganz sicher hat mich der Papst inspiriert, nach Wegen zu suchen, wie wir einladender wirken können, mehr fokussiert auf jene, die sich von Jesus und der Kirche entfernt haben", erklärte Dolan kürzlich in einem Interview.

Katholische Stimme mit Gewicht in den USA: Kardinal Timothy Dolan ist seit Feburar 2009 Erzbischof von New York sowie seit November 2010 Vorsitzender der US-amerikanischen Bischofskonferenz.
Bild: ©KNA

Katholische Stimme mit Gewicht in den USA: Kardinal Timothy Dolan ist seit Feburar 2009 Erzbischof von New York sowie seit November 2010 Vorsitzender der US-amerikanischen Bischofskonferenz.

Ungewohnte Töne

Auch inhaltlich zeigt sich der für seine pointierten Aussagen bekannte Kirchenmann differenzierter. So sagte er kürzlich, als ihn ein Reporter auf den ersten sich öffentlich bekennenden homosexuellen Footballspieler Michael Sam ansprach: "Gut für ihn." Die Bibel lehre, nicht über die Menschen zu richten. "Also würde ich sagen: bravo." Das sind ungewohnte Töne in der US-Kirche, die ansonsten erbittert gegen eine Gleichstellung Homosexueller kämpft, fast ebenso erbittert wie gegen die Abtreibung.

Seit Jahrzehnten führen die Katholiken in den USA diese Debatten - was dem neuen Papst Franziskus insofern missfällt, als andere Themen wie Soziales oder Migration darüber oft ins Hintertreffen geraten. Doch auch das scheint derzeit in Bewegung zu kommen. So befasste sich Dolan in einem Meinungsbeitrag für die Zeitung "Washington Post" mit der Frage, wie ein Kapitalismus aussehen sollte, von dem die gesamte Gesellschaft und nicht nur wenige profitieren könnte. Und bei der Frühjahrsvollversammlung der US-Bischöfe in New Orleans wurde das Thema Armut in jenen Leitfaden aufgenommen, den die Kirche ihren Mitgliedern für politische Wahlen an die Hand gibt.

Von Stefanie Ball (KNA)