Bischof Wiesemann: Kirche braucht radikale Erneuerung und Umkehr
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann will sich beim Synodalen Weg für eine radikale Umkehr und Erneuerung der Kirche einsetzen. Der Reformprozess sei ein Weg, "den die Bischöfe und alle Gläubigen in gemeinsamer Verantwortung gehen, auf dem es keine Denkverbote und Tabuisierungen geben darf, und an dessen Ende verbindliche Ergebnisse und echte Reformen stehen müssen", schreibt Wiesemann in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an die Gläubigen seines Bistums. "Was wir deshalb brauchen, ist ein anderer Umgang mit Macht und Gewalt, eine Reform der priesterlichen Lebensform, eine viel stärker an der Lebenswirklichkeit der Menschen und den Erkenntnissen der Humanwissenschaften orientierte Sexuallehre, einschließlich einer Neubewertung der Homosexualität, und ein gerechteres Miteinander von Männern und Frauen in der Kirche auf allen ihren Ebenen." Er setze sich "aus tiefster Überzeugung" für eine Kirche ein, in der "Anspruch und Wirklichkeit möglichst übereinstimmen", so Wiesemann.
Aus vielen Gesprächen mit Haupt- und Ehrenamtlichen wisse er, "wie fassungslos viele von Ihnen sind, aber auch, wie sehr Sie an Ihrer Kirche leiden und mit Ihrer Kirche hadern", schreibt der Bischof. Auch an ihm gehe das nicht spurlos vorbei. "Es erschüttert mich zutiefst, diese Kirche, der ich so viel von Kindheit an verdanke und in der ich großartige Menschen, Laien wie auch Amtsträger, kennenlernen durfte, als tief verstrickten Ort verbrecherischer Taten, unsäglichen Leids und unerklärlichen Versagens erleben zu müssen", so Wiesemann wörtlich. Auch auf seinem Gewissen laste die Frage, inwieweit er selbst "durch falsch verstandenen Gehorsam, durch Wegschauen und Verdrängen, durch fehlende Anteilnahme und Einfühlung mitschuldig an so manchem Leid" geworden sei.
"Melden Sie mir in aller Offenheit zurück, wie Sie Kirche erleben"
All das zeige ihm, in welcher existenziellen Krise die Kirche stecke. Die Kirche sei dazu berufen, Zeichen des Heils zu sein und doch sei in ihrer Mitte Gewalt und Unheil vor allem durch geweihte Menschen entstanden. "Wir rufen im Namen Jesu zu Umkehr und Versöhnung auf – und doch fällt es uns selbst, und das gilt insbesondere für uns Bischöfe, sichtbar schwer, Verantwortung zu übernehmen, eigenes Versagen einzugestehen und um Vergebung zu bitten", so der Bischof.
Wiesemann bat die Gläubigen seines Bistums um das Gebet für den Synodalen Weg. "Melden Sie mir in aller Offenheit zurück, wie Sie Kirche erleben und welche Veränderungen Sie sich – auch von mir! – erhoffen, um mich in meiner Leitungsverantwortung zu unterstützen", schreibt der Bischof und dankt damit allen, "denen es nicht gleichgültig ist, was mit unserer Kirche geschieht". (cbr)