Betroffene meldeten sich bei Adveniat und Juristin

Neue Vorwürfe gegen früheren Bischof Emil Stehle

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 15:45 Uhr – Lesedauer: 
Der verstorbene Bischof Emil Lorenz Stehle
Bild: © KNA-Bild

Essen/Hannover/Freiburg ‐ Eine Missbrauchsstudie warf ihm Vertuschung vor, kurze Zeit später gab es Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen ihn selbst: Nun beschuldigen den früheren Adveniat-Geschäftsführer und Bischof Emil Stehle weitere Betroffene.

  • Teilen:

Nach Bekanntwerden erster Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen den früheren Adveniat-Geschäftsführer und Bischof Emil Stehle (1926-2017) haben sich inzwischen weitere Betroffene gemeldet. Das Hilfswerk Adveniat hat bis heute Hinweise von insgesamt fünf Personen erhalten, "die auf eine Täterschaft Stehles in Fällen sexuellen Missbrauchs hindeuten", wie ein Sprecher der Organisation am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte. Bei der Juristin Antje Niewisch-Lennartz, die für eine Aufarbeitungsstudie im Bistum Hildesheim verantwortlich war, haben sich "sechs Frauen mit Missbrauchsvorwürfen" gegen Stehle gemeldet. Sowohl Adveniat als auch Niewisch-Lennartz verwiesen auf den Wunsch der Betroffenen nach Anonymität und nannten keine weitere Einzelheiten zu den Fällen. Unklar blieb auch, ob es um den Missbrauch Minderjähriger oder um sexuelles Fehlverhalten gegenüber Erwachsenen geht.

Die im September vorgestellte Studie zu sexueller Gewalt im Bistum Hildesheim wirft Stehle vor, an der Vertuschung von Missbrauchstaten eines Hildesheimer Priesters mitgewirkt zu haben, indem er diesen im Ausland einsetzte. Nach der Veröffentlichung meldeten sich erste Betroffene, die von sexuellem Fehlverhalten durch Stehle berichteten. Zudem wurde bekannt, dass im Erzbistum Freiburg, aus dem Stehle stammt, bereits 2005 der Hinweis einer Betroffenen auf "übergriffiges und grenzüberschreitendes Verhalten" durch den Geistlichen eingegangen war.

Weitere Erkenntnisse soll eine unabhängige Untersuchung bringen, die die Deutsche Bischofskonferenz im Dezember vergangenen Jahres in Absprache mit Adveniat in Auftrag gegeben hat. Dabei sollen Akten der von Stehle geleiteten Stelle "Fidei Donum" nach weiteren Hinweisen auf mögliches Fehlverhalten durchsucht werden. Ergebnisse werden bis Mitte dieses Jahres erwartet.

Fälle in unabhängige Aufarbeitung aufnehmen

Der Adveniat-Sprecher erklärte, allen Betroffenen, die sich bei dem Hilfswerk gemeldet haben, sei angeboten worden, ihren Fall in die unabhängige Aufarbeitung aufzunehmen. Die eingegangenen Meldungen seien je nach Zuständigkeit an die Deutsche Bischofskonferenz, das Erzbistum Freiburg und das jeweils betroffene lateinamerikanische Bistum weitergeleitet worden.

Stehle wurde 1926 in Mülhausen im heutigen Baden-Württemberg geboren und 1951 im Erzbistum Freiburg zum Priester geweiht. Er war zunächst im Erzbistum Freiburg und später als Auslandsseelsorger in Kolumbien tätig. Von 1972 bis 1984 war er Leiter der damals von der Deutschen Bischofskonferenz geschaffenen Stelle "Fidei Donum", die inzwischen bei Adveniat angesiedelt ist. Sie koordiniert Auslandseinsätze für aus den deutschen Bistümern entsandte Priester.

1972 wurde Stehle stellvertretender Adveniat-Geschäftsführer und 1977 Geschäftsführer. Ab 1983 wirkte er parallel als Weihbischof im Erzbistum Quito in Ecuador. 1987 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof der Diözese Santo Domingo de los Colorados in Ecuador. Mit Eintritt in den Ruhestand 2002 zog Stehle sich zurück in sein Heimatbistum Freiburg, wo er 2017 nach langer Krankheit starb. Er trug drei Ehrendoktor-Titel, erhielt das Bundesverdienstkreuz und war wegen seiner Vermittlung im Bürgerkrieg in El Salvador für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. (KNA)

7.2., 18:20 Uhr: Aktualisiert und präzisiert.