Bischof Wiesemann: Traue der Kirche ganz viel Umkehr und Erneuerung zu
"Durch die Taufe und Firmung ist der Geist Gottes uns allen gegeben und ich vertraue darauf, dass er uns in den Beratungen zur Seite steht", sagt der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann im katholisch.de-Interview. Er sagt auch, warum er beim Reformprozess keine zwei extremen Fronten aufeinanderprallen sieht und beantwortet die Frage, ob er schon Pläne für die Weihe von Diakoninnen in der Schublade hat.
Frage: Herr Bischof, Sie sind öffentlich nicht gerade als Lautsprecher im deutschen Episkopat bekannt. In der Synodalversammlung melden Sie sich aber recht häufig zu Wort. Wie kommt das?
Wiesemann: Ich trage den Synodalen Weg mit großer Überzeugung mit, denn er ist wichtig, um auf die Krise der Kirche zu antworten. Es ging uns Bischöfen nach der MHG-Studie darum, wie wir Antworten auf die wichtigen Fragen nach den systemischen Ursachen für Missbrauch geben können, und mir war klar, dass das nur über einen größeren gemeinsamen Weg mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken geht; einen Weg, auf dem es keine Denkverbote geben darf und an dessen Ende verbindliche Entscheidungen stehen. Deswegen ist der Synodale Weg ein wichtiger Weg.
Frage: Ist der Synodale Weg also so etwas wie ein Herzensprojekt von Ihnen?
Wiesemann: Ja. Die Frage, wie wir Antworten auf die systemischen Missbrauchsursachen finden und Veränderungen in der Kirche herbeiführen können, muss uns alle bewegen. Mir liegt daran, dass dieses Reformprojekt zum Erfolg wird. Deswegen lese ich auch die Texte sorgfältig und mache viele Eingaben. Das hat für mich etwas damit zu tun, dass wir diesen Prozess erstnehmen, und ich bin überzeugt, dass auch viele Gläubige darauf schauen, ob wir ernsthaft mit diesem Prozess umgehen, weil viele Hoffnungen daran geknüpft sind.
Frage: Bei seinem Statement in der Synodalversammlung hat der Nuntius eindringlich an die Einheit der katholischen Kirche appelliert. Viele haben das als deutliches Zeichen gewertet, dass der Vatikan die Reformvorhaben der deutschen Katholiken auf keinen Fall mitträgt. Welche Chance hat der Synodale Weg vor diesem Hintergrund überhaupt noch?
Wiesemann: Die Einheit der Kirche ist uns allen ein wichtiges Anliegen. Wir wollen keinen deutschen Sonderweg. Wir wollen aber wichtige Fragestellungen, von denen ich überzeugt bin, dass sie nicht nur für Deutschland wichtig sind, in die Gesamtkirche hineingeben. Wir versuchen, in verschiedenen Bereichen Veränderungen innerhalb des geltenden Kirchenrechts auszuloten, die wir bereits jetzt selbst vornehmen können. In anderen Bereichen wollen wir Fragestellungen formulieren, mit denen wir uns explizit nach Rom wenden. Ich denke, dass wir als große Ortskirche die Aufgabe haben, solche Fragestellungen zur Weiterentwicklung der Kirche einzubringen – und dass wir auch das Recht haben, Antworten darauf zu bekommen.
Frage: Ein Punkt, der bereits umsetzbar ist, ist die Einbindung der Laien in die Wahl des Diözesanbischofs. Haben Sie hierzu schon mit Ihrem Domkapitel gesprochen und es darum gebeten, eine Ordnung auszuarbeiten?
Wiesemann: Mein Weihbischof Otto Georgens, der zugleich Dompropst ist und damit an der Spitze des Domkapitels unserer Diözese steht, ist selbst Mitglied der Synodalversammlung. Der Beschluss des Synodalen Wegs wurde auch erst vor wenigen Tagen mit großer Mehrheit gefasst. Aber natürlich werde ich das Domkapitel noch einmal selbst darum bitten.
Frage: Wo sehen Sie die Verbindung des Synodalen Wegs in Ihr Bistum?
Wiesemann: In Speyer haben wir mit der Diözesanversammlung schon ein synodales Gremium geschaffen, das bei wichtigen Fragen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen ist. In der Satzung ist festgehalten, dass der Bischof sich an die Beschlüsse bindet oder – wenn er aus seiner bischöflichen Verantwortung heraus einen Entschluss nicht mittragen kann – diesem Gremium gegenüber begründungspflichtig ist. Das sind konkrete Ansätze, die jetzt noch weiterentwickelt werden müssen.
„Ich spüre in der Synodalversammlung bei allen Fragen, dass sich am Ende nicht die extremen Positionen durchsetzen, sondern sich eine positive und konstruktive Mitte findet, die mit Augenmaß aber beherzt Reformen angehen will, die die katholische Identität als solche zur Grundlage hat und auch die Einheit mit der Weltkirche nicht verlassen will, sondern einen wichtigen Beitrag zur Weltkirche liefern möchte.“
Frage: In einem Fazit zur dritten Synodalversammlung sagen Sie auf der Homepage Ihres Bistums, dass aus der Mitte der Synodalversammlung ein kraftvoller Impuls für die Erneuerung der Kirche entstanden sei. Gleichzeitig mahnt der Papst immer an, an den Heiligen Geist zu denken und nicht nur in demokratischen Strukturen. Wo wird denn aus Ihrer Sicht beim Synodalen Weg der Heilige Geist wirkmächtig?
Wiesemann: Wir beraten zusammen über die wichtigen Fragen unserer Zeit. Gleichzeitig ist der Synodale Weg ein geistlicher Prozess. Die Einhalte wie vor allem die Eucharistiefeier in der zeitlichen und räumlichen Mitte der Synodaltagung bilden für mich das geistliche Zentrum der ganzen Versammlung. Durch die Taufe und Firmung ist der Geist Gottes uns allen gegeben und ich vertraue darauf, dass er uns in den Beratungen zur Seite steht. Wenn wir mit so vielen Menschen zusammenkommen, um über eine erneuerte Gestalt der Kirche zu ringen, aufeinander hören und gemeinsam auf dem Weg sind, dann sehe ich Gottes Geist da mitten unter uns am Werk.
Frage: Sehen Sie zwei Fronten in der Synodalversammlung, die Reformen wollen oder ablehnen und unvereinbar aufeinanderprallen?
Wiesemann: Nein, die sehe ich so nicht. Ich spüre in der Synodalversammlung bei allen Fragen, dass sich am Ende nicht die extremen Positionen durchsetzen, sondern sich eine positive und konstruktive Mitte findet, die mit Augenmaß aber beherzt Reformen angehen will, die die katholische Identität als solche zur Grundlage hat und auch die Einheit mit der Weltkirche nicht verlassen will, sondern einen wichtigen Beitrag zur Weltkirche liefern möchte.
Frage: Sie sind auch Mitglied im Macht-Forum. Gerade da ist, von den Mitgliedern, die kein Theologiestudium absolviert haben, immer wieder zu hören, dass es manchmal schwierig ist, inhaltlich den Diskussionen zu folgen. Ist das aus Ihrer Sicht auch eine Form der Macht-Ausübung, wenn sich – überspitzt formuliert – nur promovierte Theologen untereinander austauschen?
Wiesemann: Wenn das so wäre, dann wäre das sicherlich etwas, was nicht gut ist und korrigiert werden müsste. Ich nehme das aber nicht so wahr. Natürlich gehört eine theologische Diskussion zu den Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen. Mir ist wichtig, dass Mitglieder, die den Eindruck haben, dass sie inhaltlich nicht mitkommen, sich melden und sagen: "An dieser Stelle verstehe ich das nicht." Ich sehe durchaus das Bemühen, den Texten eine Sprachgestalt zu geben, die so allgemeinverständlich ist, dass alle mitdiskutieren können. Das ist bei manchen Fachfragen aber nicht immer ganz einfach.
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Frage: Wie hat denn die Arbeit im Forum Ihren Blick auf Ihr Amt als Diözesanbischof verändert?
Wiesemann: Ich habe das bis jetzt als sehr bereichernd empfunden. Viele Fragestellungen begleiten mich schon länger, etwa wie die Machtfülle des bischöflichen Amtes geteilt und wirksamer kontrolliert werden kann, und welches Gegenüber, etwa in Form eines synodalen Gremiums auf Diözesanebene, es dazu braucht. Ich habe überhaupt kein Interesse daran, Entscheidungen allein zu fällen. Das Amt des Bischofs kann nur dann gut ausgeübt werden, wenn es in der Communio, der Gemeinschaft der Kirche, tief verankert ist.
Frage: Nehmen Ihre Amtsbrüder eine Kontrollinstanz als Gegenüber auch als so eine Bereicherung wahr?
Wiesemann: Bestimmte Formen der Rechenschaftslegung für Bischöfe haben wir ja längst. In Finanzfragen gibt es beispielsweise einen diözesanen Steuerrat, in dem ich als Bischof nur eine Stimme habe und in dem ich auch überstimmt werden kann. Ich bin überzeugt, dass meine Mitbrüder es genauso sehen, dass solche Formen der geteilten Verantwortung und Kontrolle wichtig sind.
Frage: In Ihrem Brief an die Gläubigen haben Sie vor der Synodalversammlung geschrieben: "Mir wird immer klarer, dass die Kirche einer radikalen Umkehr und Erneuerung bedarf – und zwar um des Evangeliums Jesu Christi Willen." Wie viel Erneuerung trauen Sie der Kirche zu?
Wiesemann: Ich traue der Kirche deswegen ganz viel Umkehr und Erneuerung zu, weil sie nicht nur Menschenwerk ist, sondern weil Gott selbst in ihr gegenwärtig und am Werk ist, weil er sie leitet und weil sein Geist lebendig ist. Wenn wir in die Kirchengeschichte hineinschauen, dann dürfen wir durchaus optimistisch sein, dass die Kirche zu grundlegender Erneuerung fähig ist und dass die Kirche immer wieder die Kraft des Geistes Gottes in sich gespürt und dadurch den Mut gewonnen hat, sich von innen her zu erneuern.
Frage: Haben Sie schon konkrete Erneuerungsschritte für Ihr Bistum geplant? Liegen in Ihrer Schublade schon die ersten Pläne beispielsweise für die Weihe von Diakoninnen?
Wiesemann: Mit der Diözesanversammlung sind wir im Bistum Speyer bereits einen wichtigen Schritt zu mehr geteilter Verantwortung und gemeinsamer Entscheidungsfindung gegangen. Auch was die Grundordnung und Loyalitätsverpflichtungen für kirchliche Mitarbeitende anbelangt, sehe ich die Dringlichkeit einer schnellen Reform. Hinsichtlich der von Ihnen genannten Weihe von Diakoninnen sind meine Vollmachten als Bischof jedoch begrenzt und stehe ich zugleich in der Verantwortung für die Gesamtkirche. Umso wichtiger ist es mir, mich jetzt ganz in den Synodalen Weg hineinzubegeben, damit er gut weitergeht und zu einer tiefgreifenden Erneuerung der Kirche beiträgt.