Wie München: Kirche in Spanien lässt Missbrauch unabhängig untersuchen
Die Spanische Bischofskonferenz hat eine Anwaltskanzlei mit einer unabhängigen Untersuchung über Fälle sexuellen Missbrauchs beauftragt. Das kündigte am Dienstag deren Vorsitzender, Kardinal Juan Jose Omella, bei einer Pressekonferenz in Madrid an. Damit reagieren die Bischöfe auf zunehmende Kritik, sich gegen eine unabhängige Aufklärung zu wehren. Nach der Veröffentlichung von rund 945 Missbrauchsfällen durch eine Tageszeitung wuchs der Druck vor allem durch die Politik.
Mehrere Parteien strebten nach der bisherigen Ablehnung einer unabhängigen Untersuchung durch die Kirche die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission an. Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sanchez schlug eine Expertenkommission unter Leitung des Ombudsmanns vor.
Die Bischofskonferenz beauftragte nun eine Madrider Anwaltskanzlei mit einer "unabhängigen Klärung" der Fälle. Damit folgt sie dem Beispiel des Erzbistums München und Freising, das bei der Kanzlei Westphal Spilker Wastl (WSW) ein Gutachten in Auftrag gegeben hatte. WSW bemängelte neben 497 Missbrauchsfällen auch Fehlverhalten des emeritierten Papstes Benedikt XVI. und des aktuellen Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx.
Beratung durch Kanzlei WSW
Die spanische Anwaltskanzlei zählt bei ihren Untersuchungen auf die Beratung der deutschen Kanzlei. Sie soll auch mögliche Vertuschungen aufklären und eventuelle finanzielle Wiedergutmachungen für die Opfer erwägen. Ihre Ergebnisse sollen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden. Das Untersuchungs-Team besteht laut Ankündigung aus 18 Personen, neben Anwälten auch aus Experten wie etwa Psychologen. Die Untersuchung dürfte nach Schätzungen der Kanzlei 12 bis 18 Monate dauern.
Missbrauchsopferverbände kritisierten die Beauftragung einer privaten Anwaltskanzlei als einen "Schachzug der Kirche". Sie wolle verhindern, dass "keine anderen unabhängigen oder gar staatliche Untersuchungskommissionen entstehen", sagte Fernando Garcia Salmones von der Vereinigung "Geraubte Kindheit" der Zeitung "El Pais". Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Omella betonte, die Untersuchung solle "den Opfern helfen" und nicht die Arbeit der staatlichen Institutionen "ersetzen", sondern diese "ergänzen".
Die spanischen Bischöfe hatten sich zunächst mehrfach gegen eine unabhängige Untersuchung ausgesprochen. Derweil spitzte sich die gesellschaftliche Debatte über kirchlichen Missbrauch in dem Land zu. Hintergrund sind Recherchen der Tageszeitung "El Pais". Reporter des Blattes übergaben Papst Franziskus vor einigen Wochen einen 385-seitigen Bericht mit Missbrauchsfällen, die bis ins Jahr 1943 zurückreichen. Von Tag zu Tag wächst nun die Liste der Betroffenen, die sich melden. "El Pais" geht von mehr als 1.200 Opfern in den vergangenen Jahrzehnten aus. Der Papst forderte die spanischen Bischöfe auf, die Vorwürfe zu klären. (tmg/KNA)