DBK-Frühjahrsvollversammlung: Zukunftsdebatten bei den 14 Nothelfern
Es ist guter katholischer Brauch, bei Sorgen oder Nöten den oder die dafür zuständigen Heiligen anzurufen und um Beistand zu bitten. Im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen, malerisch am oberen Lauf des Mains in der Gemeinde Bad Staffelstein im Erzbistum Bamberg gelegen, gibt es dafür ein breitgefächertes Angebot: Die Basilika aus dem 18. Jahrhundert, erbaut von Barock- und Rokoko-Baumeister Balthasar Neumann, ist den 14 Nothelfern geweiht. Sie gelten gemäß der Tradition als Vermittler bei Gott in besonders schwierigen Lebenslagen. Ausgerechnet an diesem Ort kommen die deutschen Diözesan- und Weihbischöfe von Montag bis Donnerstag zu ihrer Frühjahrsvollversammlung zusammen.
Wichtige Anlässe, um Beistand zu bitten, haben die deutschen Bischöfe zurzeit einige. Schließlich sorgten die vergangenen Wochen und Monate wieder einmal für reichlich Turbulenzen in der hiesigen Kirchenlandschaft, die ohnehin seit Jahren nicht gerade positive Nachrichten gewohnt ist. Siehe Missbrauchsskandal und dessen Aufarbeitung: Das im Januar veröffentlichte Gutachten aus dem Erzbistum München und Freising zeigte einmal mehr auf, wie in der Kirche über Jahre hinweg der Schutz der Institution an vorderster Stelle stand, wie Verantwortliche wegsahen und Verantwortung abgeschoben wurde. Zudem war laut der Studie mit Benedikt XVI. erstmals ein ehemaliger Papst verwickelt. Um die Frage, inwiefern er selbst Verantwortung trug, gibt es kontroverse Debatten.
Aktueller Stand bei der Aufarbeitung
Die Aufarbeitung sexueller Gewalt in der Kirche wird die Bischöfe bei der Frühjahrsvollversammlung erneut beschäftigen: Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Triers Bischof Stephan Ackermann, wird über den aktuellen Stand berichten. Die Kirche in Deutschland will aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, deshalb hat sie sich zu einer umfassenden Aufarbeitung des Missbrauchsskandals verpflichtet. Doch die Situation ist vertrackt: Nach jedem Gutachten, das veröffentlicht wird, ist das öffentliche Echo aufs Neue vernichtend. Dabei ist erst in den wenigsten der 27 deutschen Bistümer ein Missbrauchsgutachten veröffentlicht worden, bei den allermeisten steht das noch an. Geht dieser "Teufelskreis" also immer weiter?
In Vierzehnheiligen steht einer wieder im Fokus, der eigentlich alles dafür tut, dass genau das nicht der Fall ist: der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der frisch aus seiner fünfmonatigen Auszeit zurückgekehrt ist. Das Erzbistum Köln ist im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung in eine schwere Vertrauenskrise geraten. Allerdings konnte sich während der Abwesenheit des Erzbischofs die Lage im (noch) mitgliederstärksten Bistum Deutschlands nicht beruhigen. Woelki selbst meldete sich am Aschermittwoch mit einem Fastenhirtenbrief zurück, in dem er um einen Neuanfang warb – und gleichzeitig bekanntgab, dass er Papst Franziskus seinen Amtsverzicht angeboten hat. Somit befinden sich das Erzbistum und sein Kardinal weiterhin in einem Schwebezustand. Woelki selbst wird sich während der Vollversammlung in der zweiten Reihe halten. Eigentlich ist es ihm als Kardinal vorbehalten, einen der insgesamt vier Gottesdienste zu zelebrieren. Doch dieses Mal verzichtet er darauf, wie die Bischofskonferenz mitteilte.
Gerade während Woelkis Abwesenheit ist in der Kirche in Deutschland einiges passiert. Das lag besonders an der Aktion "#OutInChurch": 125 Kirchenmitarbeitende outeten sich als homo-, bisexuell oder transgender und lösten damit eine Debatte um das kirchliche Arbeitsrecht aus. Denn nach der aktuell geltenden Grundordnung, die von den Mitarbeiten Loyalität zur kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre verlangt, müssen sie um ihren Arbeitsplatz bangen, wenn sie etwa eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen. Doch die Reaktionen der Bischöfe auf das Coming-Out fielen größtenteils wohlwollend aus, viele Bistümer setzten die Grundordnung in diesen Punkten aus, bis eine neue in Kraft tritt. Manche sprachen sogar davon, dass noch in diesem Sommer das kirchliche Arbeitsrecht reformiert werden soll.
Wie geht es weiter beim Arbeitsrecht?
Dass bei diesem Thema einiges in Bewegung geraten ist, zeigte auch ein Brief von elf Generalvikaren, in dem sie die Deutsche Bischofskonferenz aufriefen, kurzfristig eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts herbeizuführen und künftig in der Grundordnung auf alle Bezüge auf die persönliche Lebensführung zu verzichten. Doch dieses Vorpreschen sorgte nicht überall für Begeisterung. So warnten etwa der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf und sein Generalvikar, Weihbischof Udo Bentz, vor vorschnellen Schritten. Kohlgraf betonte, er könne sich nicht der Haltung anschließen, "dass jeder Aspekt des Privatlebens ohne dienstrechtliche Relevanz sei". Auch ist unklar, ob die Generalvikare, die den Brief verfasst haben, allesamt die Rückendeckung ihrer Bischöfe genießen. Einigkeit besteht aber darin, dass es eine sorgfältige Überarbeitung des Arbeitsrechts braucht, die den Mitarbeitenden Klarheit und Rechtssicherheit verschaffe
Für viel Redebedarf unter den Bischöfen wird der Synodale Weg sorgen. Die Delegierten des Reformprozesses hatten bei der dritten Synodalversammlung Anfang Februar bereits einige Texte mit der nötigen Mehrheit – auch unter den Bischöfen – offiziell verabschiedet, beispielsweise den Grundtext zum Thema Macht und Gewaltenteilung in der Kirche sowie den Handlungstext zur Mitwirkung von Laien bei Bischofbestellungen. Andere Texte, etwa zum Zölibat oder zur Frauenweihe, wurden zumindest schon in erster Lesung angenommen. Doch während der Reformprozess zuletzt ein gutes Stück vorangeschritten ist, wächst bei einigen Bischöfen merklich die Skepsis – selbst bei solchen, die nicht von vorneherein als reformkritisch galten. Bei der Vollversammlung in Vierzehnheiligen soll darüber diskutiert werden, wie die Beschlüsse in den Bistümern realistisch umgesetzt werden könnten. Die Debatte soll offen und wenn nötig auch kontrovers vonstattengehen, heißt es.
Für die Diskussion über den Synodalen Weg war der mit Abstand größte Teil der internen Beratungen vorgesehen. Doch die aktuelle Weltlage sorgt für eine Änderung des Zeitplans: Die Lage in der Ukraine soll nun deutlich mehr Platz in den Gesprächen einnehmen als im Vorfeld geplant. Die Bischöfe wollen sich dabei intensiv mit dem Krieg und seinen humanitären Folgen befassen. Zudem wollen sie klären, wie die Kirche in Deutschland konkret helfen kann. Dazu haben sie sich einige Experten aus Hilfswerken eingeladen, die ihre Erkenntnisse über die momentane Lage vor Ort schildern werden. Auch der Eröffnungsgottesdienst am Montagabend ist dem besonderen Gedenken an die Ukraine gewidmet.
Daneben werden die deutschen Bischöfe bei ihrer Frühjahrsvollversammlung ein neues Seelsorgepapier vorstellen. Der Titel lautet "In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche". In dem Dokument soll es um das Selbstverständnis kirchlicher Seelsorger und die aktuellen Herausforderungen an sie gehen. Außerdem dürfen die deutschen Bischöfe zu Beginn ihres Treffens einen prominenten Gast begrüßen, der einen weltkirchlichen Blick auf die Themen der Kirche in Deutschland werfen kann: Kardinal Oswald Gracias, Erzbischof von Bombay und gemeinsam mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx Mitglied im Kardinalsrat, der Papst Franziskus bei der Kurienreform berät. Diese wird seit langem erwartet und befindet sich offenbar auf der Zielgeraden.
Nicht nur die Kirche in Deutschland ist also auf Reformkurs, sondern auch der Vatikan, und mit dem weltweiten synodalen Prozess die gesamte Weltkirche. Dass Änderungen nötig sind, zeigt für viele nicht zuletzt der Blick auf die deutschlandweit steigenden Zahlen bei den Kirchenaustritten. Vielleicht betet der ein oder andere Gläubige in diesen Tagen zu den Nothelfern – in der Hoffnung, dass die notwendigen Veränderungen nicht mehr lange auf sich warten lassen.