Bischof von Odessa: Papst muss Putin und Russland beim Namen nennen
Für den katholischen Bischof von Odessa, Stanislav Schyrokoradjuk, hat die Ukraine aktuell andere Prioritäten als einen Besuch des Papstes in Kiew. Franziskus tue bereits alles, was ihm möglich sei, um den Krieg zu beenden, sagte der Bischof im Interview der Florentiner Zeitung "La Nazione" (Dienstag). Allerdings verstehe er nicht, warum der Papst nicht Russland und seinen Präsidenten Wladimir Putin beim Namen nennt. "Die Wurzel des Bösen muss beim Namen genannt werden", so Schyrokoradjuk. Den Kreuzweg des ukrainischen Volkes habe "Putin, der neue Hitler" ausgelöst.
Einen Widerspruch zwischen päpstlichen Friedensaufrufen und der Unterstützung bewaffneten Widerstands sieht der Bischof nach eigener Aussage nicht. "Der Papst hat schon immer zu einer friedlichen Lösung von Problemen aufgerufen", so Schyrokoradjuk. Wäre auf ihn gehört worden, hätte es die russische Invasion nicht gegeben. Im Übrigen habe er genauso Angst, unter einer Bombe zu sterben, "wie jeder andere sie hat; das ist natürlich". Zu einem geplanten Treffen zwischen Franziskus und dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. äußerte sich der Bischof von Odessa zurückhaltend. Zwischen Kyrill I. und Putin gebe es keinen Unterschied. "Der Papst weiß besser, wie und was er zu tun hat. Wir vertrauen ihm", sagte Schyrokoradjuk.
Nach Aussage des ukrainischen Botschafters am Vatikan versucht "Russland auf jede erdenkliche Art und Weise, formell und informell, zu vermitteln", dass ein Papstbesuch in Kiew "für sie nicht akzeptabel wäre". Denn das würde als klares Zeichen der Unterstützung für die Ukraine verstanden, sagte Botschafter Andrij Jurash dem US-Portal "Crux" (Dienstag). Er sei sich aber sicher, dass alle anderen Nationen diese Idee unterstützten.
Moskau würde Papst-Tod nicht zulassen
Gefragt nach Sicherheitsbedenken zu einer Papstreise in die Ukraine antwortete der Botschafter, sein Land werde alles in seiner Macht Stehende tun, um die Sicherheit des Kirchenoberhaupts zu gewährleisten; und er sei zuversichtlich, dass "Russland das auch tun würde". Er könne sich nicht vorstellen, so Jurash, dass Moskau zuließe, dass der Papst bei einem solchen Besuch getötet würde. "Ich denke, sie verstehen, dass dies ihr Ende in der zivilisierten Welt wäre", so der Botschafter. Auch wenn sie einen Papstbesuch in der Ukraine verhindern wollten, gehe er davon aus, dass die Russen selbst für den sicheren Verlauf einer solchen Reise sorgen würden.
Die Information, dass ein Besuch von Franziskus als Option "auf dem Tisch" liege, habe er bereits vor zwei Wochen gehört, sagte Jurash weiter. Am Samstag auf dem Hinflug nach Malta hatte der Papst dies selbst öffentlich gesagt. Ein Besuch "des wahrscheinlich einflussreichsten religiösen Führers der Welt" in der Sophien-Kathedrale in Kiew, "die seit mehr als 1.000 Jahren ununterbrochen besteht, wäre nicht nur ein Gebet für den Frieden, sondern auch ein Aufruf an alle Länder, der Ukraine zu helfen, auch beim Wiederaufbau des Landes", so Jurash.
Nach Aussage von Kurienkardinal Michael Czerny braucht es für eine mögliche Reise des Papstes nach Kiew zuerst notwendige Voraussetzungen für konkrete Friedensschritte. Dann erst könnte eine solche Initiative "große Resonanz haben", sagte Czerny der Zeitung "Il Giornale" (Dienstag). Das beträfe dann nicht nur die politische und militärische Lage, sondern auch den ökumenischen Dialog. Papst Franziskus hatte die beiden Kurienkardinäle Czerny und den aus Polen stammenden Konrad Krajewski bereits zwei Mal in die Ukraine sowie nach Polen, Ungarn und die Slowakei geschickt. Sie sollten dort einerseits den Menschen die Solidarität des Papstes übermitteln, sich andererseits ein genaues Bild der Lage machen und mögliche weitere Hilfen koordinieren. (tmg/KNA)
5.4., 13:30 Uhr: Meldung ergänzt um Botschafter und aktualisiert.