Jung über die Kirche: "Das Haus muss dringend gelüftet werden"
Der Würzburger Bischof Franz Jung hat im Zusammenhang mit dem kirchlichen Missbrauchsskandal für Veränderungen im "Haus der Kirche" geworben. "Missbrauch in allen seinen Variationen wirkt verstörend und abstoßend. Das Haus muss gründlich gelüftet werden, soll es jemals wieder bezugsfertig sein", sagte Jung am Montagabend bei der jährlichen Chrisammesse im Würzburger Kiliansdom. Der Bischof äußerte sich mit Blick auf den "Wohlgeruch" der heiligen Öle, die traditionell in der Messe geweiht werden. Zu seinem Bedauern gebe es im Haus der Kirche auch andere Geruchsnoten: den "ätzenden Geruch der Kirchenkritik" etwa, der auch daher rühre, dass es lange Zeit nicht möglich gewesen sei, berechtigte Missstände offen anzusprechen und Kritik zu äußern. "Was unterdrückt wird, gärt", so Jung. Auch beim "Gestank der Sünde" schlage der Geruchssinn Alarm.
Darüber hinaus gebe es auch den "strengen Geruch der Reinigungsmittel", mit denen das Haus gründlich gesäubert werden solle, betonte der Bischof weiter. Diskussionen um Machtverteilung, Teilhabegerechtigkeit, Transparenz und Strukturen stünden an und seien dringend notwendig. Sie wirkten aber nicht anziehend wie der Duft des Öls. Und ob die Reformbemühungen am Ende das Haus wieder füllten, stehe noch dahin. An dem Gottesdienst, bei dem die Heiligen Öle für alle 152 Pfarreiengemeinschaften und Untergliederungen im Bistum Würzburg geweiht wurden, nahmen neben Jung unter anderen auch der emeritierte Bischof Friedhelm Hofmann und Generalvikar Jürgen Vorndran teil.
Jung: Die Fassade der Kirche bröckelt an allen Ecken
Vor der Messe hatte Jung einen "Tag der Besinnung" für Priester und Diakone veranstaltet. Dabei sprach er mit Blick auf die Situation der Kirche in Deutschland von "neuen Abgründen", die sich in den vergangenen Wochen und Monaten aufgetan hätten. Konkret nannte der Bischof den Konflikt im Erzbistum Köln, das im Januar veröffentlichte Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising und die steigende Zahl der Kirchenaustritte. Auch gehöre dazu die Notwendigkeit, Mitbrüder aufgrund von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige von ihren priesterlichen Aufgaben zu entbinden. "Man gewinnt bisweilen den Eindruck, nur noch getrieben zu sein von den Ereignissen", so Jung.
Die momentanen Diskussionen in der Kirche erweckten den Eindruck, als drehe sich alles Bemühen nur darum, "eine Fassade aufrechtzuerhalten, die an allen Ecken zu bröckeln begonnen hat". Die Situation zwinge alle, die in der Kirche Dienst täten, dazu, die eigene Motivation und Berufung zu hinterfragen: "Will ich das so, wie ich es erlebe? Ist das noch meine Kirche? Was hat mich motiviert, den Priesterberuf zu wählen, und was motiviert mich jetzt, ihn weiter auszuüben?", fragte Jung. Die Menschen mäßen die Verantwortlichen in der Kirche daran, ob sie die Liebe zum Herrn in der Ausübung ihres Amtes wahrnehmen könnten. "Kirche ist nur so vertrauenswürdig, wie es ihre offiziellen Vertreter sind", so der Bischof. (stz)