Bremer Pastor Olaf Latzel steht erneut vor Gericht
Er hat mehr als 40.000 Follower auf Youtube. Die "klare, bibeltreue Wortverkündigung" und "der missionarische Gemeindeaufbau" liegen ihm nach eigenem Bekunden besonders am Herzen. Wegen seinem mutmaßlich zu radikalen Verständnis der Heiligen Schrift muss sich der Bremer Pastor Olaf Latzel (54) nun erneut vor Gericht verantworten. Am Montag beginnt eine Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Bremen.
Der konservative Theologe war gegen ein Urteil des Amtsgerichts Bremen in Berufung gegangen. Es hatte ihn Ende November 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro, also insgesamt 8.100 Euro, verurteilt. Der Pastor der evangelischen Sankt-Martini-Gemeinde hatte in einem im Oktober 2019 auch auf Youtube veröffentlichten Eheseminar zum Hass gegen Homosexuelle und Intergeschlechtliche angestachelt.
In dem 142 Minuten langen Video bezeichnete er Homosexualität unter anderem als "Degenerationsformen von Gesellschaft" und sagte: "Überall laufen diese Verbrecher rum, von diesem Christopher Street Day." Er sprach von "Genderdreck", der ein "Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung" und "zutiefst teuflisch und satanisch" sei. Die Äußerungen seien Stimmungsmache und könnten als Lizenz zum Handeln gegen die angesprochenen Menschen verstanden werden, urteilte die Amtsrichterin. Zur Verhandlung erschien Latzel mit der Bibel in der Hand. Unterstützer des Pastors demonstrierten für seine Freisprechung, Anhänger der Lesben- und Schwulenbewegung für seine Verurteilung.
Bruder des rheinischen Präses
Der konservative Theologe, ein Bruder des deutlich liberaler eingestellten Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel (51), hatte schon öfter mit provokanten Aussagen für Schlagzeilen gesorgt. 2015 bezeichnete er den "Urbi et Orbi"-Segen des Papstes als "ganz großen Mist". Weil er auch zur Zerstörung von "Götzenbildern" anderer Religionen aufrief, prüfte die Staatsanwaltschaft schon damals die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens – und verwarf dies mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit.
Latzels evangelikal ausgerichtete Sankt-Martini-Gemeinde steht hinter ihrem Seelsorger. Im aktuellen Gemeindebrief bittet der Vorstand darum, für einen Freispruch zu beten. Dagegen haben Latzel-Gegner in der Vergangenheit schon mehrfach die Kirche der Gemeinde beschmiert.
Die zuständige Landeskirche distanzierte sich von den Aussagen ihres Pastors. Infolge des Richterspruchs enthob die Bremische Evangelische Kirche (BEK) ihn vorläufig des Dienstes. Nach Protesten gegen diese Entscheidung aus der Gemeinde, wurde dieser Schritt jedoch rückgängig gemacht. Bis zum Abschluss des Strafverfahrens darf Latzel wieder predigen.
Entschuldigung vor Gericht
Vor dem Amtsgericht hatte sich der Geistliche für seine Worte entschuldigt und erklärt, sie seien missverstanden worden. Er lehne zwar die homosexuelle Lebensweise auf Grundlage der Bibel ab, habe aber nichts gegen Homosexuelle. Mit dem Wort "Verbrecher" habe er "militante Aggressoren" gemeint, die ihn und seine Gemeinde immer wieder attackierten. Latzels Anwalt bezeichnete das Urteil als ein "Einfallstor für die Beschränkung der Meinungsfreiheit" und kündigte an, wenn nötig, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
Die Vorbereitung der Berufungsverhandlung hatte sich unter anderem wegen des Rückzugs eines Sachverständigen hingezogen. Das Landgericht hatte im vergangenen Jahr den freikirchlichen Theologen Christoph Raedel als theologischen Gutachter beauftragt. Seine Expertise sollte Aufschluss geben, ob die umstrittenen Äußerungen Latzels von der Bibel gedeckt sind. Theologen, Kirchenrechtler und Verfassungsexperten hatten sowohl die Fragestellung als auch die Beauftragung Raedels, der ebenfalls als konservativ gilt, öffentlich bemängelt. Daraufhin gab Raedel seine Aufgabe ab.
Das Gericht hatte im Oktober erklärt, einen neuen Gutachter suchen zu wollen. Ob tatsächlich jemand gefunden wurde und um wen es sich handelt, wollte das Gericht bislang nicht preisgeben. Für die Berufungsverhandlung sind vier Termine angesetzt. Das Urteil könnte am 20. Mai gesprochen werden.