Aufgabe brachte dem Trierer Bischof Respekt ein – aber auch Kritik

Ackermann-Rückzug als Missbrauchsbeauftragter: Der Druck wurde zu groß

Veröffentlicht am 13.05.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Trier ‐ Zwölf Jahre hatte er das wohl unbeliebteste Amt der deutschen Bischöfe inne: Im Herbst gibt Bischof Ackermann nun die Aufgabe des Missbrauchsbeauftragten der Bischofskonferenz ab. Über eine Zeit mit Erfolgen und Missgeschicken.

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Er steht wie kein anderer Bischof für die Aufarbeitung von Missbrauch in der katholischen Kirche – und ebenso für alles, was dabei nicht gut läuft. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann (59) ist seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals 2010 als Beauftragter der Bischöfe für Fragen sexuellen Missbrauchs zuständig. Ein ungeliebtes, aber notwendiges Amt. Die Aufgabe hat ihm zahlreiche Schlagzeilen und Kritik, aber auch Respekt eingebracht, auch von Betroffenen. Im Herbst gibt Ackermann das Amt ab. Zugleich will die Bischofskonferenz den Aufgabenbereich neu strukturieren und personell breiter aufstellen.

Zuletzt wuchs nach unsensiblen Äußerungen Ackermanns der Druck. So hatte der Bischof im März den Klarnamen einer unter Pseudonym bekannten Betroffenen sexueller Übergriffe offen gelegt. Die Frau, die zudem Angestellte des Bistums ist, hatte als "Karin Weißenfels" mehrfach von "geistlichem Missbrauch" und sexuellen Übergriffen durch einen Priester vom Ende der 1980er- bis Anfang der 2000er-Jahre berichtet. Ackermann enthüllte den bürgerlichen Namen der Frau vor etwa 40 Mitarbeitenden des Bistums. Daraufhin unterzeichnete er eine Unterlassungserklärung; außerdem bat er die Frau um Entschuldigung.

Rücktrittsforderungen nach Pseudonym-Offenlegung

Das Aktionsbündnis der Betroffeneninitiativen, in dem unter anderen der "Eckige Tisch" und der Trierer Verein "Missbit" zusammengeschlossen sind, forderte Ackermann auf, als Missbrauchsbeauftragter zurückzutreten. Ähnlich äußerte sich auch der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz und sprach von einem "eklatanten Vertrauensverlust". In der Erklärung von Mitte April heißt es: "Dieses Verhalten disqualifiziert den Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, weil es die Mindeststandards für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit verletzt."

Es ist nicht die einzige unglückliche Äußerung des Bischofs im Umgang mit Betroffenen. Im vergangenen Jahr etwa sprach Ackermann von "Aktivisten" in Zusammenhang mit Betroffenen und sagte, dass es nicht hilfreich sei, wenn ein Beirat "mehrheitlich durch Aktivisten besetzt wäre". Auch damals bat er kurz darauf um Entschuldigung.

Bild: ©Adobe-Stock/oha (Symbolbild)

Ackermanns Verhältnis zum Trierer Betroffenenverein "Missbit" gilt als distanziert. Mit Spannung werden die ersten Ergebnisse der unabhängigen Kommission zur Missbrauchsaufarbeitung im Bistum erwartet. Sie sollen im Herbst vorliegen.

Das Verhältnis zum Trierer Betroffenenverein "Missbit" gilt als distanziert. Nach Veröffentlichung einer umfassenden "Spiegel"-Recherche zu Missbrauch im Bistum Trier demonstrierte "Missbit" im Dezember mit dem Slogan "Tritt zurück, Ackermann - damit es weitergehen kann" vor dem Trierer Dom.

Gestartet war Ackermann als Hoffnungsträger. Als junger Bischof meldete er sich auch mal kritisch zu Wort, etwa zur kirchlichen Sexualmoral. Die große Bühne sucht Ackermann jedoch nicht. Im direkten Gespräch hingegen sei er durchaus nahbar und zugewandt, berichten auch Betroffene.

Einiges bewegt

Und neben aller Kritik – Ackermann hat in den zwölf Jahren als Missbrauchsbeauftragter einiges bewegt, manchmal gegen erhebliche Widerstände seiner Amtsbrüder. Einige Erfolge bei der Aufarbeitung gehen mit auf sein Konto. So verabschiedete die Bischofskonferenz 2020 als erste Institution in Deutschland gemeinsam mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung eine Erklärung zur strukturellen Aufarbeitung von Missbrauch. Die Diözesen in Deutschland sagten zu, nach einheitlichen Kriterien vorzugehen und unter anderem Betroffene an der Aufarbeitung zu beteiligen.

Ackermann bewies dabei einen langen Atem und richtete immer wieder Appelle an seine Bischofskollegen, denn die Institution Kirche und die Öffentlichkeit stellten höchst unterschiedliche Erwartungen an ihn. Doch die Aufarbeitung insgesamt dauert, während immer neue Skandale aus der Vergangenheit öffentlich werden. Hinzu kommt ein System der Zahlungen an Betroffene in Anerkennung erlittenen Leids, das polarisiert. Viele vermissen konkrete Schritte, werfen Ackermann Mutlosigkeit vor.

Einzug der deutschen Bischöfe
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Symbolbild)

Die deutschen Bischöfe wollen das Thema Missbrauchsaufarbeitung breiter aufzustellen. Ackermann soll dazu bis zum Ende seiner Amtszeit als Missbrauchsbeauftragter ein Konzept erarbeiten.

Der Bischof selbst betonte wiederholt, der Schutz der Betroffenen sei wichtiger als der Ruf der Institution. Die jüngsten Vorgänge dürften jedoch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Betroffenen erschwert haben.

Mehrfach wurde über eine Neuaufstellung des Amtes des Missbrauchsbeauftragten spekuliert. Ackermann selbst hatte im vergangenen Jahr erklärt, er wisse nicht, ob er in zwei Jahren noch Missbrauchsbeauftragter sei. Die Aufgabe belaste, und es sei fraglich, wie lange er die Kraft dazu habe. Auch äußerte er den Wunsch, das Thema breiter aufzustellen, damit er künftig nicht als einziger Bischof dafür zuständig sei. Ein neues Konzept will die Bischofskonferenz im Herbst vorlegen, ein letztes Mal muss Ackermann dafür noch einmal seines Spezialamtes walten.

Als Bischof von Trier wird Ackermann dort die Aufarbeitung von Missbrauch weiter begleiten. Die unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum will im Herbst erste Ergebnisse vorlegen. Sie werden mit Spannung erwartet – auch deshalb, weil Kardinal Reinhard Marx und sein Nacholger als Konferenzvorsitzender, Bischof Georg Bätzing, lange in leitenden Stellungen in Trier wirkten.

Von Anna Fries (KNA)