Schinkels Musterplan
Unter dem Titel: "Karl Friedrich Schinkel. Architekt, Maler, Designer" ist in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München bis zum 12. Mai die ganze Vielfalt des Wirken Schinkels in etwa 300 Exponaten zu bewundern. Die Ausstellung, die zuvor bereits in Berlin zu sehen war, bildet einen Querschnitt seines Schaffens. Viele Ausstellungsstücke stammen aus dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, das mit mehr als 5.000 Zeichnungen und Grafiken "Schinkels Erbe" hütet.
Dieser Nachlass liegt nun in einer wissenschaftlichen Aufarbeitung vor und ist Anlass der Sonderschau. "Das ist der krönende Abschluss unseres Forschungsvorhabens zum Erbe Schinkels", jubelt Michael Eisenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen. Dem Kunstliebhaber werde in der Ausstellung ein Querschnitt aus dem Spektrum des Universalkünstlers geboten, wie es ihn seit drei Jahrzehnten nicht mehr gegeben habe.
Prägender Kopf des Klassizismus
Der aus dem brandenburgischen Neuruppin stammende Schinkel prägte maßgeblich den Klassizismus im Königreich Preußen und besonders in Berlin. Das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, das Alte Museum und die Neue Wache belegen dies bis heute an zentraler Stelle in der Hauptstadt. Schinkel war jedoch nicht nur Architekt. Er leistete auch auf den Gebieten der Stadtplanung, der Malerei und des Designs Herausragendes, wie die Münchner Schau eindrucksvoll belegt.
Als Architekt leistete Schinkel auch beim Bau von Gotteshäusern Bahnbrechendes. Für die Friedrichswerdersche Kirche im Berliner Zentrum - die heute ein (derzeit geschlossenes) Schinkelmuseum beherbergt - entwarf er 1821 drei Varianten: eine klassizistische, eine gotische und eine Version in den Formen der Renaissance. Genehmigt wurde die gotische Fassung, die damit zum ersten unverputzten Sakralbau aus Ziegelsteinen seit dem Mittelalter wurde.
Im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. konzipierte Schinkel 1825 eine sogenannte Normalkirche. Nach diesem Entwurf entstanden danach vor allem auf dem Land Gotteshäuser, um Kosten zu sparen. Oft waren es schlichte Rundbogenbauten mit hallenartigem Innenraum. In den Seitenschiffen gab es Emporen, das Mittelschiff war von einer Holztonne überwölbt.
Schöpfer einer "Kirche von der Stange"
Mit geringen regionalen Abweichungen wurden diese "Kirchen von der Stange" umgesetzt. Prototyp ist die Sankt-Nicolai-Kirche in der Magdeburger Neustadt. König Friedrich Wilhelm III. soll das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieser Sakralbauten so gut gefallen haben, dass er 1827 einen "Normalkirchenerlass" verordnete. Er prägte den Stil vieler evangelischer Kleinkirchen in Preußen.
Ein weiterer von Schinkel favorisierter Bautyp nach Musterplan war die Fachwerkkirche, weil auch sie schnell und preiswert zu errichten war. Einen turmlosen Saalbau mit separatem Glockenturm gibt es zum Beispiel noch heute in Sophiental im Oderbruch. Die Schinkelschüler Stüler und Soller hinterließen dazu ein Musterbuch mit Entwürfen zu Kirchen, Pfarr- und Schulhäusern.
Die Münchner Ausstellung ist in einzelne Sektionen unterteilt. Begonnen wird mit der Person Schinkels, seinem Leben und seinen Freunden. Bemerkenswert sind hier die Kinderbildnisse "Marie, Susanne und Karl" von 1817/18. Weitere Ausstellungsteile beschäftigen sich mit Schinkels Reisen nach Italien, Frankreich oder England. Natürlich spielt seine Auseinandersetzung mit der Geschichte, der Nation, den Befreiungskriegen und der Denkmalpflege eine große Rolle. Auch kommen seine unausgeführten Bauwerke in Griechenland oder Russland zum Vorschein. Neben der Rekonstruktion eines optischen Schaubildes zum "Brand von Moskau" (1812) sind die Originalentwürfe zu Mozarts "Zauberflöte" weitere Höhepunkte der Schau.
Von Rocco Thiede