Spuren des Lebens
Hier setzt sie in der am heutigen Donnerstag eröffneten neuen Dauerausstellung zum Holocaust den 1,5 Millionen jüdischen Kindern, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, mit der Gestaltung eines Ausstellungsraumes ein Denkmal.
"Als das Museum Jad Waschem zum ersten Mal an mich herantrat mit der Bitte, habe ich mich geehrt gefühlt, aber abgesagt", erzählt Rovner. Zu überwältigend erschien die Aufgabe. "Ich könnte nicht einmal einen einzigen Menschen töten", sagt die Künstlerin. "Und nun sollte ich erzählen, wie eineinhalb Millionen getötet wurden?"
Nach langem Nachdenken sagte sie dennoch Ja - zu einer Installation, die sie "Spuren des Lebens" nannte. Die Lebenszeugnisse, die letzten Erfahrungen der ermordeten Kinder wurden in den Mittelpunkt gerückt - und nicht allein ihr Tod.
Bleistiftzeichnungen auf weiß gekachelten Wänden
In einer der benachbarten Baracken in Auschwitz sind die letzten der Besitztümer der Toten stumme Zeugen der Anklage: Koffer, Schuhe, Brillen, abgeschnittene Haare. Der Raum "Spuren des Lebens" enthält keine Schaukästen oder Bildschirme, keine Stellwände oder Fotografien.
Nur Bleistiftzeichnungen an den weiß gekalkten Wänden sprechen den Besucher an. Wer sie sehen will, muss sich bücken, auf Augenhöhe eines vielleicht acht bis zehn Jahre alten Kindes gehen. Alle Zeichnungen stammen von Kindern in Ghettos oder Konzentrationslagern. Im Hintergrund herrscht mal Stille, mal sind die Geräusche singender, spielender Kinder zu hören.
"Ich wollte diesen Kindern eine Stimme und eine Gegenwart verschaffen", sagt Rovner. In anderen Ausstellungen hatte sie Kinderzeichnungen gesehen - aber die steckten in einem Rahmen, hinter Glas. "Ich habe mich entschlossen, mit diesen Bildern die Geschichte zu erzählen, die sie nicht überlebten."
Alle Zeichnungen wurden im Maßstab 1:1 an die Wände des Raums übertragen. "Ich glaube nicht, dass ein Künstler das Thema besser darstellen könnte als diese Kinder", ist sie überzeugt. "Wenn man genau hinsieht, sieht man die Einsamkeit, und auch die Sehnsucht nach einer besseren Welt", meint Rovner zu den Bildern leerer Häuser, verlassener Spielsachen und brennender Sabbatleuchter.
Zeugen der grausamen Wirklichkeit
Andere Zeichnungen zeugen davon, dass die Kinder die grausame Wirklichkeit nur zu gut kannten - Luftangriffe, Erschießungen, Bilder von der Rampe von Auschwitz. "Das ist ihr Vermächtnis", sagt Rovner über die Kinderzeichnungen. "Nachdem ich einmal Ja gesagt habe, wurde das zu einer Mission, einem Versprechen."
"Ich war hier über Monate allein", erzählt die Künstlerin über ihre Arbeit in Auschwitz. "Manchmal wurde es zu viel. Es war, als wäre ich in einem Abgrund. Aber ich war hier nicht gefangen. Ich lebte. Ich konnte wieder weg." Die Zeichnungen der Kinder, die sie studierte und auswählte, das Wenige, was sie über die kleinen Künstler in Erfahrung bringen konnte, gab ihr letztlich auch Genugtuung. "Auch wenn sie tot sind, haben sie noch eine Stimme. Und ich konnte sie ihnen zurückgeben."
Wie würde sie heutigen Kindern die Geschichte der 1,5 Millionen ermordeten jüdischen Kinder erzählen? Rovner zögert. "Ich würde ihnen nicht alles mit den schrecklichen Fakten erzählen. Ich würde sagen - es war einmal, vor langer Zeit. Da haben böse Menschen anderen Menschen sehr Schlimmes angetan. Und manche von ihnen waren ganz normale Leute, die Schreckliches taten."
Von Eva Krafczyk (dpa)