München: Alte Pinakothek zeigt Kunst zum Alten Testament

Das Wort ist Bild geworden

Veröffentlicht am 18.07.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Das Wort ist Bild geworden
Bild: © KNA
Ausstellung

München ‐ Schöpfung, Sünde und Strafe. Gesetz, Gehorsam und Gefangenschaft. Nach gängiger Vorstellung zumindest ist es noch kein Kosmos der Liebe und Vergebung, den das Alte Testament beschreibt. Die Bayerische Staatsgemäldesammlung hat nun 37 Werke aus ihrem reichhaltigen Fundus für die Ausstellung "Das Alte Testament – Geschichten und Gestalten" in der Alten Pinakothek in München zusammengetragen.

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Der erste Saal ist dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit gewidmet, die Gemälde sind ungefähr in Reihenfolge der biblischen Erzählung angeordnet – beginnend mit den Geschichten aus Genesis und Exodus, von der Schöpfung bis zum Ende der Gefangenschaft der Israeliten in Ägypten. Dabei ist auf den Darstellungen wenig zu sehen von Zorn und Sühnequal. Das berühmte Bild von "Adam und Eva" etwa von Lucas Cranach dem Älteren, ein Gemälde aus dem frühen 16. Jahrhundert, zeigt höchstens eine Ahnung von Verführung und Skepsis in den offenen Gesichtern der beiden Menschen, die einander aufrecht gegenüber stehen.

"Das Opfer Abrahams" vom selben Künstler könnte man für wenige Sekunden beinahe als Bauernidyll missdeuten, mit zwei frohgelaunten Knechten und ihrem Esel im Vordergrund. Stünde etwas entfernt auf einer Anhöhe nicht ein Mann, bereit mit erhobenem Säbel seinen Sohn Isaak zu opfern – Isaak, dessen halb offener Mund vielleicht einen Schrei ausstößt, vielleicht aber auch ein Lachen.

Bild: ©Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München

Das Gemälde "Adam und Eva (Der Sündenfall)" von Lucas Cranach (1472-1553) ist in der Ausstellung "Das Alte Testament - Geschichten und Gestalten" in der Alten Pinakothek in München zu sehen.

Strafe und Leit als Schritt zur Erlösung

Diese Bilder sind herausragende Beispiele für ein religiöses Verständnis, in dem das Neue Testament als Erfüllung der Verheißungen des Alten Testamentes gilt. "Das Opfer Abrahams" etwa fungierte höchstwahrscheinlich als Predella, als Unterbau eines Flügelaltars. Die verlorene Altartafel wird die Kreuzigung Christi gezeigt haben: zwei Väter, die ihre Söhne opfern. Damit ist jede Strafe und jedes Leid nur ein weiterer, notwendiger Schritt zur Erlösung. Selbstverständlich ist diese Auslegung explizit christlich.

Als allererstes Exponat empfängt den Besucher der Kopf einer Skulptur aus dem Kloster Wessobrunn mit verbundenen Augen – eine figurative Darstellung der Synagoge, die so als Blinde, Unverständige diffamiert wird.

Ausführliche Tafeln erläutern in der Alten Pinakothek diese komplexen Zusammenhänge auf vorbildliche Weise, dabei konzentrieren sich die Erläuterungen eher auf die biblischen als auf die kunstgeschichtlichen Bezüge der Darstellungen. Erst im späteren 16. und 17. Jahrhundert entstanden dann zunehmend Gemälde mit christlicher Motivik als Auftragsarbeiten für Adel und Großbürgertum. Die Kunst gewann an Autonomie.

Tiefe Schatten zeugen von Mut zum Drastischen und Finsteren

Die düstere Seite der alttestamentarischen Erzählung kam nun zu ihrem Recht: Die tiefen Schatten, die die Künstler dieser Periode auf ihre Motive fallen ließen, passten trefflich auf den Mut zum Drastischen, Finsteren ihrer Sujets. In der "Opferung Isaaks" von 1636 aus der Werkstatt Rembrandts ist es nutzlos geworden, über Isaaks Gesichtsausdruck zu rätseln – die Pranke seines Vaters umschließt seinen ganzen Kopf und drückt ihn brutal nach hinten. Und Abraham selbst, ein gezeichneter, gebeugter Mann, scheint entsetzt von seinem Auftrag ebenso wie vom plötzlichen Erscheinen des Engels, der ihn von der Opferung abhält.

Fragen der Moral fanden ihren Weg in die Malereien, zumal wenn es sich um Werke aus den calvinistisch geprägten Nördlichen Niederlanden handelte. Cornelis von Poelenburch etwa ließ in "Lot und seine Töchter" den betrunken gemachten Lot wie einen krankhaft krebsroten Säufer erscheinen.

Bild: ©Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München

Das Gemälde "Die Opferung Isaaks" von Rembrandt (1606-1669) ist in der Ausstellung "Das Alte Testament - Geschichten und Gestalten" in der Alten Pinakothek in München zu sehen.

Von der Alten Pinakothek ist es nur ein kurzer Weg in die Bayerische Staatsbibliothek, die ebenfalls einen Griff in die Archive getan hat anlässlich des Weltkongresses der "International Organization for the Study of the Old Testament", der vom 4. bis 9. August in München stattfinden wird. Wer nun denkt, die Schau "Das Alte Testament und sein Umfeld" sei gänzlich vom schriftlich Abstrakten bestimmt, der irrt gewaltig. Zu den Höhepunkten gehören die in riesenhaftem Format von Hans Mielich illuminierten – also bebilderten – Chorbücher der Sieben Bußpsalmen, die Orlando di Lasso 1565 verfasste.

Altes und Neues Testament verschränkt

Die Verschränkung von Altem und Neuem Testament zeigt sich wiederum eindrucksvoll in der Furtmeyr-Bibel, die zwischen 1465 und 1470 in Regensburg entstand: In der Genesis erscheint der schaffende Gott vor Erde und Meer, vor Tier und Mensch als junger Mann mit Heiligenschein und dunklem Haar und Bart – eine Auswahl, die eindeutig an klassische Jesus-Darstellungen erinnert.

Vom Babylonischen Talmud hütet die Staatsbibliothek sogar die einzig beinahe vollständig erhaltene mittelalterliche Handschrift. In diesem zentralen Text des Judentums schließlich wird die Schrift selbst zum Ereignis: Geringste Zeilenabstände und winzige, aber gestochen scharf abgegrenzte Buchstaben zeugen von einer Handwerkskunst, die weit jenseits der theologischen Bedeutung beeindruckt. Noch bis zum 30. August kann diese Ausstellung in der Bayerischen Staatsbibliothek besucht werden, wer in die Alte Pinakothek möchte, hat bis zum 20. Oktober Gelegenheit.

Von Tim Slagman

Informationen

Die Ausstellung "Das Alte Testament – Geschichten und Gestalten" in der Alten Pinakothek in München ist bis zum 20. Oktober zu sehen. Öffnungszeiten sind dienstags 10 bis 20 Uhr und mittwochs bis sonntags 10 bis 18 Uhr. Eintritt: dienstags bis samstags 9 Euro (ermäßigt: 6 Euro) und sonntags 3 Euro (ermäßigt 2 Euro). Die Ausstellung "Das Alte Testament und sein Umfeld – Vom Babylonischen Talmud zu Lassos Bußpsalmen" in der Bayerischen Staatsbibliothek kann noch bis zum 30. August besucht werden. Geöffnet ist montags bis freitags 10 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.