Ökumenischer Brückenschlag vor 40 Jahren

Getrennte Geschwister: Als erstmals ein Papst Großbritannien besuchte

Veröffentlicht am 28.05.2022 um 13:59 Uhr – Lesedauer: 
Papst Johannes Paul II. und die englische Königin Elisabeth II.
Bild: © KNA

Vatikanstadt ‐ Die historische Papstreise nach Großbritannien drohte infolge des Falkland-Kriegs im letzten Moment zu scheitern. Aber Johannes Paul II. fand eine überraschende Lösung – so gelang vor 40 Jahren ein ökumenischer Brückenschlag.

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450 Jahre nach der Kirchenspaltung sollte der erste Papstbesuch in Großbritannien ein starkes Signal für einen katholisch-anglikanischen Brückenschlag sein. Zudem sollte die Visite von Johannes Paul II. zum größten Ereignis für die fünf Millionen Katholiken des Königreichs seit ihrer schrittweisen Emanzipation vor 150 Jahre werden.

Der Kriegsdonner im kurz zuvor ausgebrochenen Falkland-Krieg zwischen England und Argentinien schien alles zunichte zu machen. Dennoch blieb Johannes Paul II. vielen Vorbehalten zum Trotz bei seinem Plan und besuchte vom 28. Mai bis 2. Juni 1982 die Insel. Aber er erweiterte ihn zu einem Friedensprojekt: Überraschend schloss er danach einen Blitzbesuch in Argentinien an.

In Großbritannien gab es im Vorfeld manche Kritik an einem Papstbesuch. Aber die große Mehrheit der Briten begrüßte den Papst freundlich, zum Teil sogar begeistert. Der Bann war bereits gebrochen, als er bei der Ankunft auf dem Flughafen Gatwick den Boden küsste.

"Rock On, John Paul": Sympathiewelle für den Papst

Mehr als zwei Millionen Menschen nahmen an den fünf Openair-Messen in London, Coventry, Manchester, Glasgow und Cardiff teil. Auf den Straßen und Plätzen – und besonders im zu einer Pfarrkirche umfunktionierten Wembley-Stadion mit 80.000 Gläubigen – herrschte fast un-britischer Enthusiasmus. Der dynamische Papst imponierte den Briten über die Konfessionsgrenzen hinweg. Und dass er fast genau ein Jahr zuvor ein lebensbedrohliches Attentat überlebt hatte, brachte zusätzliche Sympathiepunkte. "Rock On, John Paul" war auf Plakaten zu lesen.

Die sechs Tage mit Stationen in neun Städten und mit 16 Reden waren von Anfang an als Pastoralbesuch bei den Katholiken und als Ökumene-Begegnung mit Anglikaner-Primas Robert Runcie geplant, nicht als Staatsbesuch. Ein zunächst vorgesehenes Papst-Treffen mit Premier Margaret Thatcher wurde aufgrund der aktuellen Entwicklung gestrichen. Einzig zu einem Besuch bei Königin Elisabeth II. kam Johannes Paul II. in den Buckingham-Palast; immerhin ist die Queen weltliches Oberhaupt der Church of England.

Queen Elizabeth II. trifft Papst Franziskus
Bild: ©picture alliance/AP Photo

Fünf Päpste hat sie bereits getroffen: Königin Elisabeth II. (96) von England feiert in diesem Jahr ihr 70. Thronjubiläum.

Die ökumenische Feier in der Kathedrale von Canterbury, Zentrum der anglikanischen Kirche Englands, war einer der Höhepunkte der Reise. Langer Applaus brauste auf, als der Papst zusammen mit Primas Runcie das Mittelschiff der gotischen Gotteshauses durchschritt. Jede Geste, jedes Wort war abgestimmt.

Gemeinsam knieten sie vor dem Altar nieder, beteten, beschworen die christliche Einheit und küssten das 1.400 Jahre alte Evangeliar des Angelsachsen-Missionars Augustinus. Dann stiegen beide in die Krypta hinab, wo im Jahr 1170 beim "Mord im Dom" Erzbischof Thomas Becket von den Häschern Heinrichs II. umgebracht worden war. In einer gemeinsamen Erklärung würdigten Papst und Runcie die bisherigen Fortschritte in der Annäherung und leiteten eine neue Etappe im ökumenischen Dialog ein: um schließlich auf Grundlage einer Einheit im Glauben zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft übergehen zu können.

Johannes Paul II. schließt Besuch bei Kriegsgegner Argentinien an

Zum großen Thema der Reise wurde der Einsatz für Frieden. Immer wieder rief der Papst zum Ende des Blutvergießens und zur Versöhnung auf. Für den Höhepunkt seines Friedensappells wählte er Coventry, Inbegriff der Zerstörungen durch deutsche Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg.

Krieg sei ein "unerlaubtes Mittel", um Differenzen zwischen Nationen auszutragen, sagte er. Krieg sollte "zur tragischen Vergangenheit, zur Geschichte gehören, in der Tagesordnung der Zukunft der Menschheit sollte er keinen Platz mehr finden", rief Johannes Paul II. in Anspielung auf die blutigen Kämpfe im Südatlantik. Und mit Blick auf die Ruinen der alten Kathedrale sagte er, Coventry sei "vom Krieg zerstört, aber in Hoffnung wiederaufgebaut worden".

Am 10. Juni flog der Papst wie angekündigt zum Kriegsgegner nach Argentinien. Sein Besuch in Großbritannien sei ein ständiges Gebet für Frieden gewesen, sagte der bei seiner Ankunft in Buenos Aires. Sein Wunsch sei es, "den Frieden Christi auf alle Opfer dieses kriegerischen Konflikts" herabzurufen und zu einem gerechten, ehrenvollen und dauerhaften Frieden zu gelangen – für beide Seiten.

Von Johannes Schidelko (KNA)