Erstmals Reiterinnen beim Blutritt in Weingarten
Bei Europas größter Reiterprozession, dem Blutritt im oberschwäbischen Weingarten, haben am Freitag erstmals Frauen offiziell mitreiten dürfen. Das teilte das Bistum Rottenburg-Stuttgart mit. "Die meisten der 98 Gruppen ermöglichten Reiterinnen die Teilnahme, die sich mit Gehrock, Zylinder und Schärpe in der entsprechenden Farbe harmonisch und gleichberechtigt in das Bild des Zuges einfügten", hieß es. Grundlage sei ein entsprechender Beschluss des Kirchengemeinderats der katholischen Gemeinde St. Martin in Weingarten im November 2020 gewesen.
Der alljährliche Blutritt war nun wieder ohne Corona-Einschränkungen möglich. Wegen der Pandemie hatte dieser in den vergangenen beiden Jahren nur sehr begrenzt begangen werden können. Die Tradition reicht ins elfte Jahrhundert zurück, als das Kloster Weingarten Teile einer Heilig-Blut-Reliquie aus dem italienischen Mantua bekam. Sie enthält der Legende nach Erde, die mit dem Blut Christi vermischt ist. Tausende Pilger und Schaulustige besuchten laut Bistum die Veranstaltung. In diesem Jahr kam auch eine Delegation aus Weingartens Partnerstadt Mantua.
Mitwirkende: Öffnung war überfälliger Schritt
Die Öffnung der Prozession für Frauen bezeichnete eine der Mitwirkenden als längst überfälligen Schritt. "Der Blutritt sollte immaterielles Unesco-Weltkulturerbe werden. Der Antrag scheiterte wohl auch daran, dass es eine reine Männerprozession war", sagte die Bürgermeisterin von Baindt, Simone Rürup (parteilos), der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag). Überzeugungsarbeit habe sie "eigentlich nicht" leisten müssen. "Ich habe den Chef unserer Blutreitergruppe gefragt, dann musste in der Hauptversammlung ein Beschluss herbeigeführt werden." Insgesamt nähmen 98 Gruppen an der Prozession teil, die meisten wollten Frauen zulassen oder hätten es schon. "Natürlich hat es Signalwirkung, wenn ich jetzt als Bürgermeisterin teilnehme", sagte Rürup.
Die Festpredigt am Vorabend hielt der österreichische Zisterzienserabt German Erd. Nach dem Gottesdienst zogen die Menschen in einer Lichterprozession auf den nahen Kreuzberg. Der Blutritt startete am Freitagmorgen. Bei der Zahl der Reiterinnen und Reiter habe es mit 1.803 gegenüber 2.127 im Jahr 2019 einen leichten Rückgang gegeben. Sie legten in rund drei Stunden etwa zehn Kilometer zurück. Die einzelnen Ortsgruppen entschieden darüber, ob bei ihnen Frauen teilnehmen dürfen.
Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) vertrat als Ehrengast die Landesregierung und lobte die zweitägigen Feierlichkeiten als "barockes Hochfest des gesellschaftlichen Zusammenhalts". Knapp 100 Musikkapellen ließen den Rossbollen-Marsch "Wir präsentieren" und andere Prozessionsstücke erklingen, so das Bistum Rottenburg-Stuttgart. (mfi/KNA)