Franziskus mischt die Riege der Papstwähler auf
Seit rund einem Jahr wurde erwartet, dass der Papst neue Kardinäle benennt. Am Sonntag war es soweit. Für Ende August kündigte Franziskus eine Kardinalsversammlung, ein Konsistorium, an. Und verlas eine illustre Liste mit 21 Namen. Neben erwartbaren Kandidaten wie den Leitern der Liturgie- und Klerusbehörde, Arthur Roche und Lazzarus You Heung-sik, sowie dem Regierungschef des Vatikanstaats, Fernando Vergez Alzaga, spannt sich die Liste neuer Kardinäle einmal um den Globus. Von Ost nach West und von Nord nach Süd.
Ein deutliches Signal sendet der Papst in die USA. Wenige Tage, nachdem Erzbischof Salvatore Cordileone von San Francisco seine Priester anwies, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi die Kommunion zu verweigern, und andere ihm darin zustimmten, versprach Franziskus die Kardinalswürde dem Bischof von San Diego, Robert McElroy.
Der Hirte eines Grenzbistums hatte sich nicht nur deutlich gegen die Migrationspolitik von US-Präsident Donald Trump gewandt. Im Streit um den Kommunionempfang für katholische Politiker, die Abtreibung akzeptieren, warnte er seine Mitbrüder auch davor, "die Eucharistie zu einem politischen Werkzeug zu machen". Der Papst konnte kaum deutlicher sagen, dass er das genauso sieht. Wobei Franziskus Abtreibung keineswegs verharmlost.
Kampf mit großen Herausforderungen dieser Zeit
Mit den Erzbischöfen von Marseille und Manaus, Jean-Marc Aveline und Leonardo Ulrich Steiner, holt sich der Papst zwei Männer ins Kardinalsteam, die mit großen Herausforderungen dieser Zeit kämpfen: Als Erzbischof eines der größten Häfen am Mittelmeer ist Aveline mit dem Thema Migration vertraut; Steiner aus der boomenden Hafenstadt am Amazonas vertritt ein wichtiges Anliegen des aktuellen Pontifikats, zu dem es 2019 eine eigene Sondersynode gab. Besonders gefordert war Steiner während der Covid-19-Pandemie, als zeitweise allein in Manaus täglich 500 Menschen starben.
Neben Steiner erhält ein weiterer Brasilianer, der Erzbischof der Hauptstadt Brasilia, Paulo Cezar Costa, den Purpur. Adalberto Martinez Flores aus Paraguays Capitale Asuncion komplettiert die inzwischen ziemlich große lateinamerikanische Fraktion.
Viel Wert legt der Papst aus Argentinien weiterhin auf Asien. Sechs Kardinalbiretts gehen an Vertreter dieses Kontinents: den Koreaner You an der Kurie, zwei Bischöfe im religionspolitisch schwierigen Indien, eines an das katholischste Land Asiens, das kleine Ost-Timor, eines in die Finanz- und Wirtschaftsmetropole Singapur sowie eines in die Weiten der Mongolei, wo ein aus Italien stammender Bischof, Giorgio Marengo, eine noch junge, kleine Kirche leitet. Passend, dass der dann 48-Jährige der mit Abstand jüngste Kardinal der katholischen Weltkirche ist.
Apropos Italien: Im Norden des Landes bietet sich ein sonderbares Bild. Die altehrwürdigen Bistümer Turin, Mailand und Venedig sind weiterhin ohne Kardinäle auf dem Bischofssitz. Nur im kleinen Como am gleichnamigen See erhält Oscar Cantoni den Purpur. Ein Grund dafür ist schwer zu erahnen. Von den anderen Kardinalshüten in Italien dürfte allein Gianfranco Ghirlanda noch wichtig werden.
Zwar kann der Jesuit, der Anfang Juli 80 wird, einen nächsten Papst nicht mehr mitwählen. Als Kardinal aber kann er ins sogenannte Vorkonklave einziehen. Diese Beratungen aller (!) Kardinäle werden künftig umso wichtiger, je heterogener das Kollegium der Papstwähler wird. Da Ghirlanda der maßgebliche Redakteur der Kurienverfassung "Praedicate evangelium" ist, dürfte der versierte Kirchenrechtler im nächsten Vorkonklave das kirchenrechtliche Erbe von Franziskus maßgeblich vermitteln. Zumal er als Experte der ignatianischen Exerzitien auch die spirituelle Komponente des Pontifikats auslegen kann.
Westafrika wird mit zwei Kardinalsbiretts bedacht: Bischof Richard Kuuia Baawobr aus Ghana sowie Peter Okpaleke aus Nigeria. Für Okpaleke mag es eine persönliche Wiedergutmachung sein. Er war 2012 in eine Diözese gesandt worden, deren Bewohner ihn als Angehörigen einer anderen Ethnie nicht akzeptierten.
Kein üblicher Termin
Sechs Jahre lang hielt er das aus, auch ein Machtwort von Franziskus richtete nichts aus. 2018 verzichtete Okpaleke und wurde zwei Jahre später in ein anderes Bistum geschickt; der Kardinalshut auch als Zeichen päpstlicher Solidarität mit einem Bischof gegen Teile des Gottesvolkes, das Katholizität ethnisch einengen will.
Übliche Termine, um Kardinäle zu kreieren, sind sonst Februar, Ende Juni – zum Fest Peter und Paul – sowie im November. Diesmal sollen die Ernannten ihren Purpur, der tatsächlich ein Kardinalsrot ist, im heißen August in Rom empfangen. Der traditionelle Termin am 29. Juni wäre zu nah an der Afrika-Reise des Papstes gelegen, zu der Franziskus am 2. Juli nach Kinshasa aufbrechen will.
Nun also gibt es neue Kardinäle am Sonntag, dem 27. August. Die Zahl der Papstwähler steigt dann von 116 auf 131, die Gesamtzahl der Kardinäle von 208 auf 229. Möglichst vielen von ihnen will der Papst anschließend zwei Tage lang seine neue Kurienverfassung "Praedicate evangelium" erläutern. Da diese eine engere Kooperation zwischen vatikanischer Kurie und Ortskirchen vorsieht, ist es gut, weltweit wichtige Mitspieler zu haben.