Theologen: Kirche hat aus dem 20. Jahrhundert nichts gelernt
Die katholische Kirche hat nach Ansicht von zwei Theologen aus der totalitären "Absturzgeschichte" der Moderne nichts gelernt. Heute fehlten ihr deswegen Mechanismen, um Macht zu kontrollieren und Machtmissbrauch entgegenzuwirken, schreiben Rainer Bucher und Birgit Hoyer in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag auf dem österreichischen Portal feinschwarz.net. Moderne liberale Gesellschaften orientierten sich mittlerweile an Menschenrechten und praktizierten Gewaltenteilung. Die Kirche hingegen habe sich "dank des Beistandes Gottes und dank der eigenen überlegenen Moral" vor Machtmissbrauch geschützt gewähnt: "Das war natürlich eine Illusion."
Die "desaströse Lage" der katholischen Kirche führen beiden Experten auf "das fundamentale Glaubwürdigkeitsdefizit" zurück. "Wenn religiöse Institutionen gegen zentrale normative Grundlagen jener Gesellschaften verstoßen, in die sie eingebettet sind, geraten sie in gesellschaftliche Existenzprobleme", schreiben sie. Die Kirche habe es mit "strukturellen Selbstwidersprüchen" zu tun und verliere dadurch vor allem ihre eigenen Anhänger.
Die Theologin und der Theologe sprechen sich für eine Kirche aus, die sich mehr auf die offenen Fragen der nicht-religiösen Gesellschaft einlässt. "Wo ist Raum für die Angst, die Unsicherheit, die Düsternis, das dürre Leben", fragen Bucher und Hoyer. Statt vorschnell Antworten anzubieten, müsse sie zuerst Leerstellen wahrnehmen. "Kirche kommt zu schnell um die Ecke", kritisieren sie. Sie müsse sich stattdessen "radikal in Frage stellen lassen" und auch aushalten, manchmal nicht gefragt zu werden. (KNA)