Ehevorbereitungsprotokoll: Wie Lebensrealitäten die Kirche beeinflussen
Gästeliste, Blumenschmuck und Fotografensuche – Heiraten kostet viel Zeit und Nerven. Wer kirchlich heiraten möchte, wird vom Pfarrer zudem zu einem Ehevorbereitungsgespräch eingeladen – früher war sogar von "Brautexamen" die Rede. Ein Blick in einschlägige Hochzeitsforen zeigt: Damit wissen viele nichts anzufangen, manche fürchten sich sogar vor dem Termin. "Angst vor dem Ehevorbereitungsgespräch braucht niemand zu haben", sagt Benedikt Steenberg. Er arbeitet in der Fachabteilung Kirchenrecht des Bistums Hildesheim und kennt sich mit der Ehevorbereitung aus. "Das Ehevorbereitungsgespräch hat zwei Funktionen", erklärt er. Zum einen gehe es darum, das Brautpaar kennenzulernen, etwas über ihre Geschichte miteinander, Hobbies und Gemeinsamkeiten zu erfahren und wichtige Absprachen für die Feier in der Kirche zu treffen, zum anderen werden dort wichtige Formalitäten geklärt. "Im Ehevorbereitungsgespräch wird abgeklopft, ob das Brautpaar die Voraussetzungen erfüllt, eine katholische Ehe zu schließen. Zum Beispiel ob sie nicht anderweitig verheiratet sind, ob sie überhaupt möchten und können, was die Kirche sich unter einer Ehe vorstellt, ob sie freiwillig heiraten und so weiter." Dabei gehe es auch nicht um Bibel- oder Kirchenfragen, der Pfarrer werde während des Treffens auch keinen Test machen, ob die zukünftigen Eheleute im Religionsunterricht aufgepasst haben, sondern sich im formalen Teil des Ehevorbereitungsgesprächs allein um die rechtlichen Voraussetzungen einer katholischen Eheschließung kümmern. Welche Fragen dabei unbedingt geklärt werden müssen, steht im sogenannten Ehevorbereitungsprotokoll (EVP). Das bisherige EVP wurde nun durch die Vollversammlung der Bischofskonferenz aktualisiert und in einigen Punkten geändert. Nur diese neue Fassung darf ab dem 1. Juni 2022 verwendet werden. Das Ehevorbereitungsprotokoll ist in ganz Deutschland gleich und online einzusehen.
Vergleicht man die alte EVP-Fassung mit der neuen, muss man schon ganz genau hinschauen, um die Änderungen zu entdecken: Weil der Begriff "Brautmesse" nicht mehr zeitgemäß ist, wurde er beispielsweise durch "Eucharistiefeier" ersetzt. Die Frage nach dem Beruf der Eheleute entfällt, die Frage nach den Eltern der zukünftigen Eheleute wurde spezifiziert. Zukünftig sind jetzt die leiblichen Eltern im EVP einzutragen. Diese Anpassung soll beispielsweise verhindern, dass das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft übersehen wird. Ein Ehehindernis ist ein Umstand, der das Eingehen einer kirchlich geschlossenen Ehe verhindert. Es gibt absolute Ehehindernisse wie die enge Blutsverwandtschaft, eine bereits eingegangene Ehe (oder die Ermordung des früheren Gatten, um eine neue Ehe eingehen zu können) oder beispielsweise Impotenz (Unfähigkeit zum Beischlaf, nicht aber Zeugungsunfähigkeit) und allgemeine oder religiöse Ehehindernisse (zum Beispiel eine Konfessions- oder Religionsverschiedenheit der Ehepartner), von denen aber eine Dispens durch den Bischof oder in bestimmten Fällen nur durch den Papst erteilt werden kann – solche Fragen werden im Ehevorbereitungsgespräch geklärt.
Neu in das EVP kam die explizite Frage nach der Rituszugehörigkeit der Ehebewerber. "Diese Frage ist eine wichtige und gute Änderung", sagt Thomas Kremer. Er ist Professor für die Theologie des Christlichen Ostens in Eichstätt. Mit der Aufnahme dieser Frage zeige sich eine zunehmende Sensibilität für die Pluriformität der katholischen Kirche, findet Kremer. Damit erinnert er daran, dass es neben der Westkirche auch eine in die apostolische Zeit zurückreichende Tradition der Ostkirche gibt. Die Ostkirche lässt sich in zwei große Gruppen unterteilen, die sich in ihrer äußeren Erscheinung ähnlich sind, sich aber in ihrem Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche unterscheiden. Zum einen gibt es die orthodoxen Kirchen, die nicht in Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche stehen. Dazu zählen zum Beispiel die russisch-orthodoxe und die griechisch-orthodoxe Kirche in Deutschland. Sie gelten als andere Konfessionen und haben keine eucharistische Gemeinschaft mit der römischen Kirche. Daneben gibt es mit Rom unierte Kirchen. Das sind Kirchen, die seit dem 16. Jahrhundert den Papst als ihr Oberhaupt anerkannt haben, aber ihren traditionellen Ritus und damit einen wichtigen Bestandteil ihrer Identität erhalten haben. Daher spricht man von Kirchen mit eigenem Ritus. "Innerhalb der katholischen Kirche gibt es von fast allen östlichen Kirchen einen mit Rom vereinigten Zweig. Sie zeichnen sich durch eigene Riten und Realitäten in der großen Weltkirche aus und haben ein eigenes Kirchenrecht, das der Papst in Rom erlassen hat", erläutert Kremer. Die Mitglieder dieser "Kirchen eigenen Rechts", wie der kirchenrechtliche Fachbegriff lautet, betrifft die Frage nach der Ritusverschiedenheit in der Neufassung des EVP.
Die Änderungen im Ehevorbereitungsprotokoll seien eine Reaktion auf die veränderte gesellschaftliche Struktur in Deutschland, erklärt Kremer. "Lange Zeit gab es wenige Angehörige der verschiedenen mit Rom unierten Ostkirchen in Deutschland. Man konnte sie als 'Spezialfälle' behandeln." Vor allem mit der Migrationsbewegung 2015 kamen dann aber viele Gläubige der verschiedenen katholischen Ostkirchen nach Deutschland. Nun müssten sich Gemeinden darauf einstellen, häufiger mit Eheschließungen ritusverschiedener Paare betraut zu sein, sagt der Ostkirchenexperte. Kommen Mitglieder einer katholischen Ostkirche zum Ehevorbereitungsgespräch, hilft die obligatorische Frage nach der Rituszugehörigkeit zukünftig das weitere Vorgehen abzustimmen. Unter Umständen ist der lateinische Ortspfarrer nämlich gar nicht für ihre Trauung zuständig. "Jeder Katholik soll zu einem Geistlichen seines eigenen Ritus gehen, wenn er erreichbar ist. Ist kein entsprechender Priester verfügbar, kann der lateinische Bischof eine spezielle Beauftragung für den Ortspfarrer ausstellen, damit er der Eheschließung der unierten Christen assistieren kann", erklärt Kirchenrechtler Steenberg. Das komme immer mal wieder vor. Beispielsweise haben chaldäisch-katholische Christen aus dem Irak nur relativ wenige Gemeinden in Deutschland. "Deshalb gehen sie in römisch-katholische Gemeinden. Sie wissen meist genauso wenig wie wir Römer, dass es andere Rituskirchen in der katholischen Kirche gibt. So etwas erfahren viele Schutzsuchende aber dann hier. Schließlich können sie hier zwar in katholische Gottesdienste gehen, aber der Ritus ist ein anderer als sie ihn kennen." Wollen diese Christen dann heiraten, kommen Steenberg und seine Kirchenrechtskollegen aus dem Bischöflichen Ordinariat ins Spiel. Meist falle so eine Konstellation während des Ehevorbereitungsgesprächs beim Blick in die Taufurkunden auf: "Die sind dann natürlich in einer anderen Sprache verfasst." Dann ist es die Aufgabe des Pfarrers, bei seinem Bischof eine Erlaubnis zu erbeten, um die Trauung zu feiern.
Das Wichtigste bei einer Hochzeit: Der Segen von oben
Wichtig ist, dass die Trauung eines Paares, das einer katholischen Ostkirche angehört, von einem Priester oder Bischof gefeiert wird. Ein Diakon oder Laie darf und kann – anders als bei einer römisch-katholischen Trauung – einer Eheschließung nicht gültig assistieren. Das hat theologische Gründe, sagt Kremer und meint damit die Ehetheologie des Ostens. Anders als in der Westkirche reicht dort nicht "nur" der Ehekonsens des Brautpaares, sondern es braucht zwingend den Segen eines Priesters oder Bischofs. Dieser Segen heißt in der Ostkirche ritus sacer, heiliger Ritus. "Zwar gehört theologisch in beiden Traditionen der Ehe-Konsens konstitutiv dazu. Aber er spielt in der Ostkirche keine so prominente Rolle", weiß Kremer. Die aus Film und Fernsehen bekannten Fragen an die Eheleute kennen viele Ostkirchen nicht: "Das können wir uns in der römisch-katholischen Liturgie gar nicht vorstellen. Für mich war es auch ungewohnt, als ich erstmals eine Trauung unierter Christen gefeiert habe, in der Liturgie nicht zu fragen, ob die beiden sich wirklich heiraten wollen", sagt Kremer, der schon einige Male im griechisch-katholischen Ritus das Sakrament der Ehe gespendet hat. Eigentlich, erklärt er, spiele aber auch im römischen Ritus der Segen über die Eheleute eine wichtige Rolle, das gehe nur manchmal unter: "Bei der kirchlichen Hochzeit geht es doch immer darum, den Segen für das Eheleben zu erhalten. Man könnte sagen, dass im Osten der Priester die Ehe spendet, während im Westen sich die Eheleute gegenseitig das Sakrament spenden. Analog lässt sich sagen, dass der Priester im Osten im Rahmen der Eheschließung eine ähnliche Vollmacht hat wie bei der eucharistischen Wandlung. Der Segen über die Eheleute ist ein epikletisches-konsekratorisches Geschehen", erklärt Kremer die besondere Bedeutung des Brautsegens. Das bedeutet, dass der Priester den Segen Gottes herabruft und die Ehe Gott weiht. Dieser Segen sei auch wichtig, wenn beispielsweise die Braut einer katholischen Ostkirche angehöre, der Bräutigam aber der römisch-katholischen Kirche – oder umgekehrt.
Heiraten Angehörige der Ostkirche ohne den ritus sacer, ist ihre Ehe ungültig. Sorgen müssten sich lateinische Priester und Bischöfe aber nicht – sie müssen vor einer solchen Trauung auch keinen Sprachkurs absolvieren, denn der Segenstext aus dem römischen Trau-Rituale reiche vollkommen aus, versichert Kremer. Überhaupt seien Trauungen mit solchen rechtliche Besonderheiten wie sie jetzt auch im EVP abgefragt werden trotz der zunehmenden Zahl ostkirchlicher Katholiken immer noch recht selten. Für Seelsorgende lohne sich ein Blick in die Handreichung zum seelsorglichen Umgang mit Angehörigen der katholischen Ostkirchen mit dem Titel "Kirchenrechtliche Fragen in der pastoralen Praxis mit Gläubigen der katholischen Ostkirchen" der Deutschen Bischofskonferenz. Viele Diözesen hätten zudem Beauftragte für Angehörige der katholischen Ostkirchen, die mit Rat und Tat zur Seite stünden. Grundsätzlich gelte: "Sobald einer der Eheleute einer katholischen Ostkirche angehört, muss ein nihil obstat eingeholt werden. Gehören beide einer katholischen Ostkirche an, sollte nach Möglichkeit ein rituseigener Priester die Trauung feiern; ist das nicht möglich, kann der Ortsbischof delegieren und dem Ortspfarrer die Trauung auftragen."
Eine Ausnahme in Deutschland gilt im Falle einer Trauung ukrainisch-katholischer Christen. Melden sie sich in einer Pfarrgemeinde, liegt die Zuständigkeit immer bei der ukrainisch-katholischen Kirche in Deutschland. Diese hat seit 1959 eine eigene Hierarchie in Deutschland – die Apostolische Exarchie Deutschlands und Skandinaviens mit Sitz in München. Bohdan Dsjurach ist der ukrainisch-katholische Exarch und gehört der deutschen Bischofskonferenz an. Weil es diese ausdifferenzierte ukrainisch-katholische Kirchenstruktur in Deutschland gibt, ist in einem solchen Fall der Exarch in München bzw. einer seiner Kleriker zuständig. Im Zweifelsfall rät Kremer: "Immer Rat bei den Verwaltungskanonisten der Diözese holen."