Papst Franziskus: Habe Rücktrittsgesuch Kardinal Woelkis in der Hand
Papst Franziskus hat nach eigenen Angaben noch nicht über das Rücktrittsgesuch von Kardinal Rainer Maria Woelki entschieden. Er habe den Kölner Erzbischof nach dessen mehrmonatiger Auszeit zunächst an seinem Platz gelassen, "um zu sehen, was passieren würde, aber ich habe sein Rücktrittsgesuch in der Hand", sagte Franziskus in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit den europäischen Kulturzeitschriften des Jesuitenordens. Er selbst habe Woelki am Ende von dessen Auszeit gebeten, ein Rücktrittsgesuch einzureichen, erklärte der Papst.
Zugleich kritisierte das Kirchenoberhaupt, dass es viele Gruppen gebe, die in der Causa Köln Druck machten – "aber unter Druck ist es nicht möglich, zu unterscheiden". Die Tatsache, dass es unterschiedliche Standpunkte gebe, sei in Ordnung. "Das Problem ist, wenn Druck entsteht. Das hilft aber nicht. Ich glaube aber nicht, dass Köln die einzige Diözese in der Welt ist, in der es Konflikte gibt. Und ich behandle sie wie jede andere Diözese in der Welt, die Konflikte erlebt", so der Papst.
Papst: Ziehe neue Visitiation im Erzbistum Köln in Erwägung
Darüber hinaus deutete er an, möglicherweise eine weitere Untersuchung im Erzbistum Köln durchführen zu lassen. Es gebe dort "ein wirtschaftliches Problem, für das ich eine finanzielle Visitation in Erwägung ziehe", sagte Franziskus. Konkretere Angaben machte der Papst dazu nicht. Allerdings hatte es in den vergangenen Monaten wiederholt Diskussionen um Zahlungen des Erzbistums im Kontext des veröffentlichten Missbrauchsgutachtens, für die Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) sowie für einen überschuldeten Priester gegeben. Kritiker hatten unter anderem bemängelt, dass diözesane Gremien vor den Ausgaben nicht entsprechend den Regeln des Kirchenrechts einbezogen worden seien. Mit Blick auf die Ausgaben für Gutachter und Kommunikationsberater hatte der Vatikan Ende Mai aber bereits erklärt, dass das Erzbistum das Kirchenrecht nicht verletzt habe.
Bereits im Juni vergangenen Jahres hatte im Erzbistum Köln eine von Franziskus angeordnete Visitation stattgefunden. Damals hatten der Stockholmer Kardinal Anders Arborelius und der Rotterdamer Bischof Johannes van den Hende eine Woche lang die pastorale Situation in der größten deutschen Diözese sowie mögliche Fehler von Kardinal Woelki und weiteren aktuellen und ehemaligen Verantwortlichen im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese untersucht. Zwei Monate später übergaben sie einen Bericht über ihre Untersuchung an den Vatikan, über dessen Inhalt öffentlich jedoch bis heute nichts bekannt wurde.
Deutliche Kritik an mangelhafter Akzeptanz des Zweiten Vatikanischen Konzils
Mit Blick auf den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland erklärte Franziskus, dass er in seinem Brief von Juni 2019 geschrieben habe, was er über den Reformprozess denke. Dabei betonte der Papst, den Brief eigenständig verfasst zu haben: "Ich wollte die Kurie nicht einbeziehen." Als problematisch bezeichnete er es in dem Interview jedoch, "wenn der Synodale Weg von den intellektuellen, theologischen Eliten ausgeht und sehr stark von äußeren Zwängen beeinflusst wird". Dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, habe er zudem gesagt, dass es in Deutschland bereits "eine sehr gute evangelische Kirche" gebe. "Wir brauchen nicht zwei von ihnen", so der Papst mit einem Lachen.
Deutliche Kritik äußerte Franziskus an einer aus seiner Sicht teilweise mangelhaften Akzeptanz des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) im Raum der Kirche. Es gebe unter anderem in den USA eine überwältigende Zahl an Gruppen von "Restauratoren", die das Konzil knebelten. Das Konzil, "an das sich manche Hirten am besten erinnern, ist das Konzil von Trient. Und was ich sage, ist kein Unsinn", betonte der Papst. Ein argentinischer Bischof habe ihm erzählt, dass er gebeten worden sei, eine Diözese zu verwalten, die in die Hände der "Restauratoren" gefallen sei. "Sie hatten das Konzil nie akzeptiert", so Franziskus wörtlich. Das Problem sei, dass das Konzil in einigen Bereichen noch nicht akzeptiert worden sei. "Es ist auch wahr, dass es ein Jahrhundert dauert, bis ein Konzil Wurzeln schlägt. Wir haben also noch vierzig Jahre Zeit, um es zu etablieren", sagte der Papst. (stz)
Das Interview im Wortlaut
Am 19. Mai sprach Papst Franziskus mit den zehn Chefredakteurinnen und -redakteuren der europäischen Kulturzeitschriften der Jesuiten. Nun wurde das Interview veröffentlicht.