Bischöfe melden Rekord-Kirchenaustritte und Erholung bei Sakramenten
Die Zahl der katholischen Kirchenmitglieder ist erneut deutlich gesunken. Aus der am Montag von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) veröffentlichten Kirchenstatistik für das Jahr 2021 geht hervor, dass in diesem Jahr 359.338 Menschen aus der Kirche ausgetreten sind. Mit 137.948 mehr Austritten als im Vorjahr (221.390 im Jahr 2020) ist damit ein neues Allzeithoch erreicht. In einer ersten Reaktion zeigte sich der DBK-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing "zutiefst erschüttert". Es sei nichts schönzureden. Die Zahlen zeigten die tiefgreifende Krise, in der sich die katholische Kirche in Deutschland befinde.
"Und zu diesen Zahlen müssen wir die Erkenntnis hinzulegen, dass mittlerweile nicht nur die Menschen austreten, die zu ihrer Pfarrei schon über einen längeren Zeitraum wenig oder sogar keinen Kontakt hatten, sondern es mehren sich Rückmeldungen, dass Menschen diesen Schritt gehen, die bisher in den Pfarreien sehr engagiert waren", so Bätzing weiter. Die Kirche müsse neu erklären und erläutern, was sie tue: "Zur Kirche zu gehören ist ebenso wenig eine Selbstverständlichkeit wie aktiv in ihr mitzuwirken. Die Skandale, die wir innerkirchlich zu beklagen und in erheblichem Maße selbst zu verantworten haben, zeigen sich in der Austrittszahl als Spiegelbild", betonte der Limburger Bischof und zeigte sich zuversichtlich, dass "mit dem Synodalen Weg als Impuls zur inneren Reform und Erneuerung wichtige Schritte in die richtige Richtung" gemacht würden.
Die absolut meisten Kirchenaustritten gab es in den Erzbistümern Köln (40.772) sowie München und Freising (35.323). 2021 wurde das Missbrauchsgutachten in Köln veröffentlicht, die Veröffentlichung des Münchener Gutachtens fand erst 2022 statt. Prozentual sind in Berlin am meisten Katholiken ausgetreten (2,72 Prozent), gefolgt von Hamburg (2,54 Prozent), München und Freising (2,19 Prozent) und Köln (2,18 Prozent). Die geringste Austrittsquote hatten die Bistümer Görlitz (0,85 Prozent) und Paderborn (1,13 Prozent).
Sakramentenspendungen trotz Anstieg hinter Vor-Corona-Zahlen
Die Zahl der Sakramentenspendungen ist im Vergleich zum ersten Corona-Jahr 2020 dagegen gestiegen. So haben sich die Trauungen fast verdoppelt, mit knapp 142.000 Taufen wurden gut 37.000 mehr Menschen durch das Sakrament in die Kirche aufgenommen. Gesteigert haben sich auch die Zahl der Erstkommunionen (157.000, Vorjahr 140.000) und Firmungen (126.000, Vorjahr 75.000) sowie der Bestattungen (240.000, Vorjahr 237.000). Dabei übertreffen aber nur Firmungen und Bestattungen die letzten Vor-Corona-Zahlen von 2019.
Bätzing würdigte die Leistungen der Kirche unter anderem in den Gemeinden, Verbänden, im Bildungsbereich und in der Caritas: "Ohne die vielen Angebote von Gottesdiensten und Glaubensvermittlung würde unser menschliches Miteinander an Tiefe verlieren." Der von dem Reformprozess ausgehende Aufbruch sei aber im Kontakt mit Gläubigen "offenbar noch nicht angekommen".
Gottesdienstbesuch erneut gesunken – hohe Reichweite online und im Rundfunk
Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist erneut gesunken. An den Zählstonntagen feierten 2021 4,3 Prozent der Katholiken Gottesdienste in Präsenz mit, im Vorjahr waren es 5,9 Prozent. 2019, im letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, waren es noch 9,1 Prozent. Zahlen der Online-Gottesdienste wurden nicht erhoben. Bätzing sprach jedoch von einem Millionenpublikum, das durch Online- und Rundfunkgottesdienste erreicht werde. Man müsse sich aber von der Vorstellung verabschieden, "dass die Kirchen wieder voller werden oder die Zahl der Gläubigen wieder steigt", räumte der DBK-Vorsitzende ein. Sowohl die Zahl der Eintritte (1.465, Vorjahr 1.578) als auch der Wiederaufnahmen (4.116, Vorjahr 4.358) in die katholische Kirche gingen leicht zurück.
Insgesamt waren Ende 2020 damit 26,0 Prozent der Bevölkerung Teil der römisch-katholischen Kirche. Laut der bereits im März veröffentlichten Statistik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehörten 2021 insgesamt 19,72 Millionen Menschen einer der 20 Gliedkirchen der EKD an, das sind 23,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Zahl der Mitglieder der beiden großen Kirchen liegt damit in Summe erstmals unter der Hälfte der deutschen Bevölkerung. Dazu kommen nach Schätzungen etwa drei Millionen Mitglieder der orthodoxen Kirchen sowie bis zu 1,8 Millionen angehöriger weiterer christlicher Konfessionen.
In diesem Jahr präsentieren evangelische und katholische Kirche erstmals nicht gemeinsam die jeweilige Kirchenstatistik. Im März hatte die EKD im Rahmen von vorläufigen Zahlen erstmals eine Mitgliederzahl unter 20 Millionen gemeldet. Die Tendenzen der evangelischen Statistik waren dabei ähnlich: Mit 280.000 Kirchenaustritten wurde auch dort ein bisheriger Höchststand erreicht, die Zahl der Taufen stieg deutlich im Vergleich zum Vorjahr, blieb jedoch hinter der Zahl vor Corona zurück. (fxn)